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Leitmerkmalmethode
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Leitmerkmalmethode: So beurteilen Sie die Lastenhandhabung im Unternehmen

  • 16.02.2022
  • Redaktionsteam SafetyXperts
  • 16 Min.

Rückenbeschwerden sind bei Mitarbeitern eines Unternehmens keine Seltenheit. Zu einem Großteil werden sie durch die Handhabung von schweren Lasten hervorgerufen. Arbeitgeber müssen die manuelle Handhabung von Lasten beurteilen. Die verschiedenen Leitmerkmalmethoden sind dabei die wichtigsten Instrumente.

Der krankheitsbedingte Ausfall von Beschäftigten in Betrieben hängt eng mit der ausgeübten Tätigkeit zusammen. Muskel-Skelett-Erkrankungen stehen seit Jahren an der Spitze der Statistik für Arbeitsunfähigkeit. Vor allem in Handwerksberufen kommen die Erkrankungen häufig vor. Ob Dachdecker, Maurer oder Kfz-Mechaniker. In diesen und anderen Handwerksbranchen werden oft Lasten manuell gehoben, geschoben oder gezogen –  und das in einer falschen Körperhaltung. Die langfristige Folge sind Muskel-Skelett-Erkrankungen.  

Rückenbeschwerden als häufigste Erkrankung

Diese Erkrankungen hatten 2018 einen Anteil von 20,9 Prozent am Gesamtkrankenstand in Deutschland. Dies geht aus dem DAK Gesundheitsreport 2019 hervor. Auf 100 Versicherte kamen in diesem Jahr insgesamt 324,8 Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage). Rückenbeschwerden sind dabei die häufigsten Erkrankungen in der Hauptgruppe der Muskel-Skelett-Erkrankungen, heißt es im Report.

Betriebsinhaber und Arbeitsschutzbeauftragte müssen deshalb in regelmäßigen Abständen eine Gefährdungsbeurteilung / Gefährdungsanalyse des Arbeitsplatzes vornehmen. Dadurch sollen körperliche Schäden bei der manuellen Handhabung von Lasten verhindert werden. Gemäß § 5 des Arbeitsschutzgesetzes ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, für alle Arbeitsplätze in seinem Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen.

Darüber hinaus schreibt § 2 der Lastenhandhabungsverordnung die Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes vor. Der genannte Paragraph beschäftigt sich dabei konkret mit den Maßnahmen, die sich aus der Gefährdungsbeurteilung heraus ergeben. Die sogenannte Leitmerkmalmethode (LMM) ist Arbeitgebern eine Hilfe, um die Beurteilung durchzuführen.

Was ist die Leitmerkmalmethode?

Der Begriff beschreibt Methoden zur Erfassung und Bewertung der Arbeitsbelastung – als Folge der Handhabung von Lasten. Mit Hilfe der Leitmerkmalmethode werden darüber hinaus bestimmte Merkmale des Arbeitens bewertet. Diese sind:

  • Dauer der Belastung (Zeit)
  • die Last (Kraftaufwand)
  • Körperstellung bei der Arbeit
  • Ausführbedingungen

Zudem können durch die Leitmerkmalmethode Defizite bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes ermittelt werden. Auf der Grundlage der Ergebnisse werden vom Arbeitgeber Maßnahmen erarbeitet, durch die das Risiko für negative gesundheitliche Auswirkungen deutlich verringert werden kann.

Gemeinsam mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und dem Institut  für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Leitmerkmalmethode entwickelt.

Welche Leitmerkmalmethoden zur Bewertung der Arbeitsbelastung gibt es?

Insgesamt sind es sechs Methoden, die im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts „Mehrstufige Gefährdungsanalyse physischer Belastungen am Arbeitsplatz – MEGAPHYS“ entworfen wurden.

Laut Angaben der BAuA stehen die Methoden jetzt der betrieblichen Praxis zur Verfügung, um mit ihnen Gefährdungen durch verschiedene Formen körperlicher Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. Im Rahmen des Projekts wurden drei bereits bestehende Methoden weiterentwickelt und drei neue entworfen. Die weiterentwickelten Methoden sind:

Neu entwickelt  wurden folgende Methoden:

Laut Aussage der BAuA wurden die Methoden neu- und  weiterentwickelt, um mit ihnen die Gefährdungen durch verschiedene Formen körperlicher Belastung zu ermitteln und zu beurteilen. Darüber hinaus wurden im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts die Gefährdungsbeurteilungsmethoden mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad entwickelt. Die einzelnen Methodenebenen sind:

  • Spezielles Screening
  • Experten-Screening
  • Messtechnische Analysen
  • Labormessungen / Simulation

Die BAuA war für die Methodenebene „Spezielles Screening“ zuständig und hat dafür die sechs Leitmerkmalmethoden neu- und weiterentwickelt. Die einzelnen Methoden sind sogenannte Screening-Methoden. Um sie verwenden zu können, sind gute Kenntnisse der zu beurteilenden Arbeitsplätze erforderlich.

In insgesamt 40 Unternehmen mit mehr als 200 betrieblichen Akteuren sowie mit mehr als 600 Tätigkeitsbewertungen wurden die sechs Leitmerkmalmethoden in Vorstudien erprobt und daraufhin nochmal modifiziert.

Veröffentlichung und Prüfung der Leitmerkmalmethoden

Die Studienergebnisse wurden von der BAuA im Band 1 des Projektes MEGAPHYS veröffentlicht. Auf rund 1.000 Seiten wird die Entwicklung, Erprobung und Evaluation der Methoden beschrieben, mit denen sich die Gefährdung durch verschiedene Belastungsarten des Körpers beurteilen lässt.

Laut weiterer Aussage der BAuA haben die Leitmerkmalmethoden eine umfangreiche Prüfung von Gütekriterien durchlaufen und werden zur Anwendung und zum Test in der Praxis empfohlen. Auf einfache Art und Weise sollen sie die wesentlichen Belastungsmerkmale dokumentieren und somit eine Beurteilung ermöglichen.

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Was umfasst die Leitmerkmalmethode manuelles Heben, Halten und Tragen (LMM-HHT)?

Diese Leitmerkmalmethode berücksichtigt das manuelle Heben, Halten und Tragen von Lasten mit mehr als drei Kilogramm. Es dient hauptsächlich zur Erfassung des Umsetzens, Haltens sowie zum reinen Transport von Lasten. Mit Lasten werden Gegenstände, Personen oder Tiere bezeichnet. In dieser Leitmerkmalmethode sind verwandte Formen des Hebens, wie beispielsweise das Senken und das horizontale Umsetzen von Lasten mit eingeschlossen.

Abgrenzung der Leitmerkmalmethode zu anderen Methoden

Bei dieser LMM-HHT gibt es einige Faktoren, die zur Abgrenzung gegenüber anderen Leitmerkmalmethoden relevant sind. Wenn sich die Last verändert, müssen weitere Leitmerkmalmethoden berücksichtigt werden. In diesem Fall sind es die Manuellen Arbeitsprozesse (LMM-MA) sowie die Ganzkörperkräfte (LMM-GK), die zur Beurteilung hinzugezogen werden müssen.

Wenn eine Last über längere Distanzen getragen wird oder in Verbindung mit schwerem Gehen erfolgt, muss die Leitmerkmalmethode „Körperfortbewegung“ (LMM-KB) mit berücksichtigt werden. Mit längerer Distanz wird hier eine Weglänge von mehr als zehn Meter bezeichnet.  Die LMM-KB sollte auch dann mit einbezogen werden, wenn die Last mit Hilfe eines Rucksacks auf beiden Schultern getragen wird. Zudem muss die LMM-KB auch dann berücksichtigt werden, wenn die Last auf einer oder beiden Schultern getragen wird.

Außerdem muss das Heben, Halten und Tragen von Lasten mit Hilfsmitteln, wie beispielsweise Zangen und Schaufeln, den Leitmerkmalmethoden Manuelle Arbeitsprozesse“ (LMM-MA) oder Ganzkörperkräfte (LMM-GK) zugewiesen werden.

Die Zuordnung zu den anderen Methoden erfolgt in diesem Fall aber nur dann, wenn das jeweilige Transportgut nicht verändert oder bearbeitet wird. Darüber hinaus erfolgt die Zuteilung zu den anderen LMM dann, wenn die Lasten in Abhängigkeit des Kräfteniveaus geworfen oder gefangen werden.

Weitere Anwendungen der LMM-HHT 

Wenn am Arbeitsplatz Umsetz-, Halte- oder Transportvorgänge stattfinden und dementsprechend beurteilt werden müssen, wird die LMM-HHT angewandt. 

Darüber hinaus findet die LMM-HHT bei Pflegetätigkeiten Anwendung. Allerdings gilt dies nicht für alle Berufe in der Pflege. Alle Tätigkeiten, die über die beschriebenen Definitionen der LMM-HHT hinausgehen, werden der LMM-GK (Leitmerkmalmethode  Ganzkörperkräfte) zugeordnet. Der Patiententransfer ist hierfür ein Beispiel. Die physischen Belastungen, die mit dieser Tätigkeit einhergehen, werden mit dieser Leitmerkmalmethode beurteilt.

In zahlreichen Berufen gibt es verschiedene Teiltätigkeiten. Diese müssen voneinander getrennt erfasst und beurteilt werden. Die Wahrscheinlichkeit eine körperlichen Überbelastung kann nur dann beurteilt werden, wenn während eines Arbeitstages alle vorliegenden körperlichen Belastungen beurteilt werden.

Zielsetzung mit der LMM-HHT

Grundsätzlich sollen mit dieser Methode die Belastungsmerkmale der Teiltätigkeiten dokumentiert werden. Arbeitgeber sollen durch Anwendung dieser Methode die Wahrscheinlichkeit einer physischen Überanstrengung durch die Tätigkeiten besser bewerten können. Ein weiteres Ziel dieser LMM ist die Ableitung von gesundheitlichen Folgen sowie die Herleitung von Maßnahmen, wie gesundheitliche Schäden vermieden werden können.

Vorgehen bei der Durchführung der LMM-HHT

Mit der LMM-HHT werden ausschließlich Teiltätigkeiten beurteilt. Wenn innerhalb einer Tätigkeit Abweichungen auftreten, wie beispielsweise Lastgewicht oder Körperhaltungen, müssen Mittelwerte gebildet werden.

Wenn innerhalb eines Arbeitstages mehrere Teiltätigkeiten mit unterschiedlichen Bedingungen auftreten, müssen sie getrennt voneinander beurteilt und dokumentiert werden. Dies gilt auch dann, wenn innerhalb einer Teiltätigkeiten wechselnde Bedingungen auftreten.

Physische Überbeanspruchungen können nur dann ausführlich beurteilt werden, wenn alle körperlichen Belastungen zur Beurteilung herangezogen werden, die innerhalb eines Arbeitstages auftreten.

Wie werden die Arbeitsbedingungen mit den Leitmerkmalen beurteilt?

Zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen sind vier verschiedene Schritte erforderlich. Mit Hilfe der vier Leitmerkmale können Sie ermitteln, in welche Risikostufe eine Tätigkeit fällt, und entsprechende Schutzmaßnahmen festlegen.  

1. Schritt: Bestimmung der Zeitwichtung

In einem ersten Schritt zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen wird die Zeitwichtung bestimmt. Arbeitgeber müssen entscheiden, ob es sich bei der Tätigkeit um einen Hebe- oder Umsatzvorgang handelt oder um eine Tragetätigkeit, ein Ziehen und Schieben über kurze Distanzen (Kriterium: Häufigkeit) oder ein Ziehen und Schieben über längere Distanzen. Kriterien bei der Bestimmung der Zeitwichtung sind die Häufigkeit der Vorgänge sowie der Gesamtweg, der mit der Last zurückgelegt wird.

Bei der Zeitwichtung wird ein Punktwert ermittelt, der einem bestimmten Risikobereich zugeordnet ist. Dieser Bereich gibt die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung durch diese Teiltätigkeiten wieder sowie gesundheitliche Folgen, die dadurch entstehen.

Bei der Ermittlung des Punktwertes wird zwischen geschlechtsspezifischen Merkmalen unterschieden. Die unterschiedlichen Körpermaße, die körperlichen Leistungsvoraussetzungen sowie die Belastbarkeit von Frauen und Männern werden bei der Berechnung des Punktwerts berücksichtigt.

Wenn Frauen Tätigkeiten ausführen, die mit Heben, Halten und Tragen verbunden sind, wird die Last stärker gewichtet. Beim Ziehen und Schieben erfolgt in diesem Fall die Erhöhung des Punktwertes durch Multiplikation mit dem Faktor 1,3. Der Punktwert gibt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von  Muskel-Skelett-Erkrankungen an. Die Art der Schädigungen werden allerdings im vorliegenden Band nicht weiter thematisiert.

Bei Punktwerten unter 10 können Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Arbeit für alle sicher ist. Ausgenommen von dieser Annahme sind Schwangere. Mit steigendem Punktwert nimmt der Anteil der Beschäftigten zu, bei denen Schädigungen auftreten können.

Wenn sich der Wert oberhalb von 50 befindet, besteht eine so hohe körperliche Belastung durch die Teiltätigkeiten, dass eine physische Überbelastung der Mitarbeiter sehr wahrscheinlich ist. Hier müssen Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, um diesen Überbelastungen vorzubeugen.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Stand: Juni 2019)

2. Schritt: Bestimmung der Wichtung der weiteren Merkmale

Mit dem zweiten Schritt werden die Lastenaufnahmebedingungen, die Körperhaltung, die Ausführungsbedingungen sowie die Arbeitsorganisation und die zeitliche Verteilung nach dem oben beschriebenen Vorgehen bestimmt.

Darüber hinaus ist die Distanz der Last zum Körper ein wichtiges Merkmal. Als körperfern gilt eine Distanz zwischen Brust und Handmitte von mehr als 17 Zentimetern.Bewertung und Beurteilung

3. Schritt: Bewertung und Beurteilung

Mit dem dritten Schritt werden die jeweiligen Teiltätigkeiten mit dem tätigkeitsbezogenen Punktwert bewertet. Infolge der Bewertung können Arbeitgeber einen Maßnahme-Katalog entwickeln, um der körperlichen Überbeanspruchung vorzubeugen.

4. Schritt: Gestaltung und Vorsorge

Der vierte Schritt ist eine Ergänzung im Rahmen der Gefährdungsanalyse. Die Maßnahmen, die aufgrund der Risikobewertung entwickelt werden können, gelten für den Risikobereich 3. Sollten Punktwerte in diesem Bereich auftreten, müssen Arbeitgeber geeignete Maßnahmen mit Blick auf den Arbeitsschutz entwickeln. Die arbeitsmedizinische Vorsorge muss nach ArbMedVV (Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge)  angeboten werden.

Die Präventionsmaßnahmen für besonders bedürftige Beschäftigungsgruppen (Azubis, Jugendliche)  sind unabhängig von der Belastungshöhe und müssen gegebenenfalls im Einzelfall betrachtet werden. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer Wunschvorsorge geschehen.

Darüber hinaus kann durch Aufsuchen der höchsten Punktwerte die Ursachen der höchsten Belastung erkannt und entsprechende Änderungen eingeleitet werden.  

Manuelle Arbeit

Die Leitmerkmalmethode manuelles Heben und Tragen schließt alle manuellen Arbeiten am Arbeitsplatz ein. Tätigkeiten, die mit dieser Leitmerkmalmethode einhergehen sind beispielsweise:

  • Auf- und Abladen von Säcken
  • Beladung von Maschinen ohne technische Hebehilfen
  • Umladung von Waren auf Palletten
  • Manuelle Arbeiten am Dach
  • Kinderbetreuung in KITAs
  • Manueller Krankentransport
  • Sortierung von Paketen

Wie funktioniert die Leitmerkmalmethode manuelle Arbeitsprozesse (LMM-MA)?

Zudem gibt es die Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastungen bei manuellen Arbeitsprozessen (LMM-MA). Bei dieser Leitmerkmalmethode werden Bewegungsabläufe und Kraftaufwendungen berücksichtigt, bei der die oberen Extremitäten des Körpers eingesetzt werden. Darüber hinaus berücksichtigt die LMM-MA die Verwendung von Instrumenten und kleineren Werkzeugen.

Die LMM-MA darf jedoch nicht mit manueller Arbeit gleichgesetzt werden. Manuelle Arbeiten zeichnen sich nicht immer durch die gleichen Bewegungsabläufe aus. Darüber hinaus werden nicht bei allen manuellen Arbeiten Werkzeuge und Hilfsmittel benutzt. Beispiele hierfür sind das Auf- und Abladen von Säcken sowie die erwähnte Kinderbetreuung in KITAs. 

Manuelle Arbeitsprozesse lassen sich allerdings nicht immer konkret zu anderen Belastungsarten abgrenzen. Laut Angaben der BAuA kann es unter Umständen sinnvoll sein, alternativ die Belastungen „Heben, Halten, Tragen“; „Ziehen, Schieben“ oder „Ganzkörperkräfte“ zuzuordnen. Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn die zu bewegenden Lasten oder die aufzubringenden Kräfte groß sind.

Was ist die Leitmerkmalmethode Ziehen und Schieben (LMM-ZS)?

Die Leitmerkmalmethode Ziehen und Schieben (LMM-ZS) dient der Erfassung und Beurteilung von Belastungen, die durch das Fortbewegen von Flurförderzeugen, Hängebahnen oder Hängekränen mittels Muskelkraft entstehen. Zu den Flurförderzeugen gehören beispielsweise Einradkarren, Trolleys oder Wagen mit drei bis sechs Rädern.

Diese Fahrzeuge und Transportmittel werden am Arbeitsplatz eingesetzt und darüber hinaus in alle Richtungen bewegt. Außerdem findet die LMM-ZS auch Anwendung bei Arbeitsmitteln, die mit der Hand und ohne Hilfsmittel bewegt werden. Beispiele für diese Arbeitsmittel sind Messrollen oder eine Farbmarkierungskarre.

Abgrenzung zu anderen Leitmerkmalmethoden

Wie die LMM-HHT muss auch die LMM-ZS im Rahmen der Beurteilung von Belastungen von den anderen Leitmerkmalmethoden abgegrenzt werden. Wenn zum Beispiel eine Last ohne Hilfsmittel gezogen oder geschoben wird, kommt die LMM-GK (Ganzkörperkräfte) zur Anwendung.  

Sollte die Last von den Mitarbeitern mit Flurförderzeugen bewegt werden, die über mechanische Antriebe verfügen, können zur Beurteilung der Arbeitsbelastungen  ergänzend die Leitmerkmalmethoden Köperfortbewegung (LMM-KB) und LMM-GK benutzt werden.

Wenn Beschäftigte in einem Unternehmen Hebehilfen bewegen, muss die LMM-GK ebenfalls Anwendung finden. Beispiele für diese Hebehilfen sind Saugheber oder Säulenkräne.

Wenn es pro Arbeitstag mehrere Teiltätigkeiten mit Ziehen und Schieben gibt, müssen diese getrennt erfasst und beurteilt werden.

Das muss bei der LMM-ZS beachtet werden

Wie bereits erwähnt, dient das Verfahren zur Beurteilung von Arbeitsbedingungen beim Ziehen und Schieben von Lasten auf sogenannten Flurförderzeugen, Hängekränen und Hängebahnen. Voraussetzungen für die Beurteilung sind hinreichende Kenntnisse der zu beurteilenden Tätigkeit.

Wenn diese Kenntnisse nicht vorhanden sind, darf keine Beurteilung vorgenommen werden. Darüber hinaus sind grobe Schätzungen oder Vermutungen vor dem Hintergrund der LMM-ZS unzulässig, da sie zu falschen Ergebnissen führen.

Vorgehen bei der LMM-ZS

Wenn es pro Arbeitstag mehrere Teiltätigkeiten gibt, die mit Ziehen und Schieben verbunden sind, müssen diese mit der LMM-ZS getrennt voneinander erfasst und beurteilt werden.

Die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung kann nur dann beurteilt werden, wenn alle Belastungen Berücksichtigung finden, die im Laufe des Arbeitstages zusammen kommen. Sollte es zu Überschneidungen mit anderen Belastungsarten kommen, muss geprüft werden, ob andere Leitmerkmalmethoden angewandt werden müssen.

Wie erfolgt die Beurteilung mit der Methode LMM-ZS?

Die Durchführung und Dokumentation der Bewertung und Beurteilung von Arbeitsbelastungen durch die LMM-ZS erfolgt ebenfalls in vier Schritten.

1. Schritt: Bestimmung der Zeitwichtung

In einem ersten Schritt wird die Zeitwichtung anhand einer Tabelle bestimmt. Die Grundlage für die Bewertung ist die gesamte Strecke und die gesamte Dauer in der Teiltätigkeiten pro Arbeitstag, die mit dem Flurförderzeug beladen und zurückgelegt wird.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

2. Schritt: Bestimmung der Wichtungspunkte

Im zweiten Schritt der Beurteilung werden die Wichtungspunkte für die Art des Flurförderzeugs und des Lastgewichts bestimmt. Diese Punkte sind einerseits die Beschaffenheit des Fahrwegs und die Ausführungsbedingungen, mit denen die Lasten geschoben oder gezogen werden. Andererseits stehen die Punkte für die Eigenschaft der Last und den Zustand des Flurförderzeugs. Darüber hinaus wird mit den Wichtungspunkten die Körperhaltung bestimmt.

Die Berechnung und Beurteilung erfolgt anhand der unteren Tabelle. Wenn diese Hinweise nicht ausreichen sollten, kann die Broschüre „Ziehen und Schieben ohne Schaden – Grundsätze und Gefährdungsbeurteilung“ zur Beurteilung der Belastungen herangezogen werden. Die Borschüre stellt die BAuA auf ihrer Webseite kostenfrei zur Verfügung.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

3. Schritt: Bewertung und Beurteilung

Die Bewertung der Teiltätigkeiten erfolgt anhand eines Punktwertes, der speziell auf die Teiltätigkeiten bezogen ist. Der Punktwert ergibt sich durch Addition der Wichtungen der Leitmerkmale sowie aus der Multiplikation mit der Zeitwichtung.

Der Punktwert wird auch bei der LMM-ZS einem bestimmten Risikobereich zugeordnet. Daraus wird die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung durch diese Teiltätigkeiten sowie gesundheitliche Folgen und ein daraus resultierender Handlungsbedarf abgeleitet.

Sollten Frauen die zu beurteilende Teiltätigkeiten ausführen, wird der Punktwert mit 1,3 multipliziert. Dabei wird berücksichtigt, dass Frauen rund ein Drittel weniger physische Leistungskraft als Männer besitzen.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

4. Schritt: Gestaltung und Vorsorge

Der vierte Schritt bei der Vorgehensweise der LMM-ZS ist eine Ergänzung. Auf der Basis der Risikobewertung abzuleitenden präventiven Maßnahmen gilt folgendes: Ab dem Risikobereich 3 „wesentlich erhöht“ müssen Arbeitgeber kollektive und individuelle Präventionsmaßnahmen für die Mitarbeiter vornehmen. Darüber hinaus müssen sie den Beschäftigten arbeitsmedizinische Versorgung gemäß ArbMedVV anbieten.

Wie bei der LMM-HHT müssen Arbeitgeber im Rahmen der LMM-ZS speziell für Jugendliche und andere schutzbedürftige Beschäftigungsgruppen Gestaltungs- und Präventionsmaßnahmen anbieten. Diese sind unabhängig von der Belastungshöhe und müssen je nach Einzelfall betrachtet werden. Ein Beispiel hierfür ist die Wunschvorsorge.

Wie funktioniert die Gefährdungsbeurteilung von psychischen Belastungen?

Arbeitgeber sind gesetzlich nicht nur dazu verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen für physische, sondern auch für psychische Belastungen zu erstellen. Sie müssen die Gefährdungen berücksichtigen, die sich zum Beispiel aus der Gestaltung des Arbeitsplatzes oder durch physikalische Einwirkungen ergeben. Der Fokus der Gefährdungsbeurteilung muss deshalb auch auf die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz gerichtet sein. Bei der Gefährdungsanalyse geht es nur um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Die psychische Verfassung der Mitarbeiter wird nicht beurteilt.

Ziel der Gefährdungsbeurteilung von psychischen Belastungen ist es festzustellen, ob und auf welche Art und Weise eine Gefährdung besteht. Sollten Arbeitgeber zu dem Ergebnis kommen, dass Gefährdungen bestehen, müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, um die Gefährdungen zu einem Großteil zu reduzieren.

Bei der Gefährdungsbeurteilung von psychischen Belastungen liegt das Augenmerk auf folgenden Arbeitsbereichen:

  • Arbeitsinhalt und -aufgabe
  • Arbeitsorganisation
  • Soziale Bindungen im Arbeitsumfeld
  • Arbeitsumgebung

Jedes Unternehmen kann selbst entscheiden, wie die Gefährdungsbeurteilung von psychischen Belastungen durchgeführt wird. Gesetzlich ist ein konkretes Vorgehen nicht festgeschrieben.

Allerdings stellt die Berufsgenossenschaft  Handel und Warenlogistik (BGHW) auf ihrer Webseite ein Programm zur Verfügung, das Unternehmen bei der Gefährdungsanalyse unterstützt.

Das sogenannte PegA-Programm (Psychische Belastung erfassen) enthält einen Ordner mit drei  Instrumenten zur Beurteilung. Diese sind:

  • Expertencheck
  • Befragung der Mitarbeiter
  • Team (Kombination aus Analyse und Workshop)

Darüber hinaus enthält das Programm zahlreiche Praxishilfen. Die BGHW hat das Programm gemeinsam mit der Initiative Neue Qualität der Arbeit entwickelt. Auf der Webseite der Berufsgenossenschaft steht das Programm kostenfrei zur Verfügung.

Online-Rechner für die LMM-HHT und LMM-ZS

Damit Arbeitgeber mit wenigen Klicks den Punktwert für die LMM-HHT und LMM-ZS errechnen können, stellt das Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) Online-Rechner für die beiden Leitmerkmalmethoden zur Verfügung. Das Institut, mit Sitz in der Corneliusstraße in Wuppertal, war an dem Gemeinschaftsprojekt MEGAPHYS beteiligt. Auf der Webseite des ASER wird der Rechner für die LMM-HHT kostenfrei bereitgestellt. Arbeitgeber können in das Online-Tool den Arbeitsplatz des Beschäftigten angeben sowie die Zeitdauer des Arbeitstages.

Darüber hinaus muss die Teiltätigkeiten sowie die Häufigkeit der Teiltätigkeiten und die Zeitwichtung angegeben werden. Bei Letzterer gibt es die Möglichkeit der Punktevergabe von 1 bis 10.

Der Online-Rechner enthält zudem die restlichen beschriebenen drei Vorgehensschritte, um die Beurteilung der Arbeitslast berechnet werden kann. Außerdem gibt es, speziell beim Online-Rechner LMM-HHT ein Feld, in dem Arbeitgeber die ungünstigen Ausführungsbedingungen angeben können.

Zu diesen Bedingungen gehören beispielsweise Angaben zur Hand- und Armstellung, zur Kleidung, zur Erschwernis durch Halten und Tragen sowie zu den räumlichen Bedingungen.

Formblätter für die Leitmerkmalmethoden

Neben den Online-Rechnern zur Berechnung des Punktwertes stellt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Formblätter mit Handlungsanleitungen in Deutsch, Englisch, Spanisch, Niederländisch, Französisch und Schwedisch zur Verfügung.

Die Formblätter stellen Anleitungen für sechs Belastungsarten zur Verfügung. Mit den Belastungsarten sind die einzelnen Leitmerkmalmethoden gemeint. Die Formblätter der Screening-Methoden werden von der BAuA als Schulungsmaterial bereitgestellt und können in gedruckter Form bei der Bundesanstalt bestellt werden.

Wie funktioniert die Körperzwangshaltung als neuentwickelte Leitmerkmalmethode?

Neben den LMM-HHT und LMM-ZS gibt es die Körperzwangshaltung als Leitmerkmalmethode (LMM-KH). Bei dieser LMM werden Teiltätigkeiten mit Körperzwangshaltungen berücksichtigt. Diese Zwangshaltungen beschreiben Körperhaltungen, die infolge des Arbeitens unvermeidbar sind. Durch den Arbeitsprozess sind sie vorgegeben.

Darüber hinaus spielt für die Gefährdungsbeurteilung eine Rolle, dass die Körperzwangshaltungen ununterbrochen, einmalig für mehr als eine Minute oder wiederholt mehr als 10 Sekunden eingenommen werden.

Eine Unterbrechung der Belastung liegt dann vor, wenn die ungünstige Haltung beim Arbeiten unterbrochen werden kann. Dazu gehören beispielsweise Aufstehen oder veränderte Sitzpositionen. Zudem können Körperzwangshaltungen bei der Arbeit gleichzeitig und unabhängig voneinander betroffen sein. Dazu gehören:

  • der untere und obere Rücken
  • Schultern, Oberarme und Nacken
  • Kniegelenke, Beine und Füße

Gefährdungsbeurteilungen erfolgen mit dieser LMM beispielsweise bei Arbeiten im Stehen als auch über Kopf. Hier muss die Armhaltung der Mitarbeiter beurteilt werden. Die Wirkungen auf den Rücken im Stehen oder Sitzen, Hocken oder Knien, auf Schultern und Oberarme und auf Knie und Beine werden mit der LMM-KH getrennt voneinander beurteilt.

Tätigkeiten, bei denen die LMM-KH angewandt wird, sind: Fliesenlegen, Handschweißarbeiten, Arbeit an Fließbändern, Trockenbau, Deckenmontage oder in der Mikrochirurgie und Arbeiten im Inneren von Kesseln.

Die Beurteilung der Körperzwangshaltungen erfolgt wie bei den anderen LMM in vier Schritten.

1. Schritt: Bestimmung der Zeitwichtung

Die zeitliche Dauer (Zeitwichtung) ist bei der Beurteilung von Belastungen durch Körperhaltungen. Ermittelt wird die Gesamtzeit der Teiltätigkeit innerhalb eines Arbeitstages. Darüber hinaus wird bei der LMM-KH der Anteil der Körperzwangshaltungen an der Beurteilungszeit ermittelt. Dieses ist der erste Schritt.

2. Schritt: Wichtung der Leitmerkmale

In einem zweiten Schritt werden die Leitmerkmale „Haltungen in drei Körperregionen“, „Ungünstige Ausführungsbedingungen“ und „Weitere Ausführungsbedingungen“ ermittelt.

Für jede der drei Körperregionen (Rücken, Schulter/Oberarme, Knie/Beine wird ermittelt, ob eine der Körperregionen einmalig mehr als eine Minute oder wiederholt mehr als zehn Sekunden ohne längere Unterbrechungen eingenommen werden muss. Darüber hinaus wird der Anteil an der Beurteilungszeit der Teiltätigkeit ermittelt. Bei dem Schritt werden die Punktwerte zusammengezählt sowie die Zusatzbelastungen und die Ausführungsbedingungen beurteilt.

3. Schritt: Bewertung der Körperzwangshaltungen

Arbeitgeber müssen die Bewertungen der Körperzwangshaltungen getrennt voneinander vornehmen. Im Gegensatz zu den anderen LMM gibt es bei den Körperzwangshaltungen die Punktwerte A, B und C. Der höchste Punktwert bestimmt die Einstufung der gesamten Teiltätigkeit.

Wie auch bei den anderen LMM lassen sich die Punktwerte einem bestimmten Risikobereich zuordnen. An dem Bereich erkennen Arbeitgeber die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung durch die jeweilige Tätigkeit. Darüber hinaus können anhand des Risikobereichs Präventionsmaßnahmen abgeleitet werden.

4. Schritt: Gestaltung und Vorsorge

Bei der Leitmerkmalmethode Körperzwangshaltungen gilt der Risikobereich 3 als „wesentlich erhöht“. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sowohl kollektive als auch individuelle Präventionsmaßnahmen und arbeitsmedizinische Vorsorge gemäß ArbMedVV notwendig sind. Darüber hinaus müssen für besonders schutzbedürftige Beschäftigungsgruppen, wie beispielsweise Jugendliche, Präventionsmaßnahmen im Einzelfall betrachtet werden.  

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