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Foto: © Юлия Ромашко | Adobe Stock

Psychischer Arbeitsschutz: So vermeiden Sie psychische Belastungen

  • 17.02.2022
  • Redaktionsteam SafetyXperts
  • 7 Min.

Das zeigt auch der aktuelle DAK-Gesundheitsreport. Demnach lag die Zahl der Arbeitsausfälle im Jahr 2019 bei rund 260 Fehltagen pro 100 Versicherte. Laut Analyse der DAK ist dies ein neuer Höchststand. Gleichzeitig waren es 24 Fehltage mehr als im Jahr davor. Wie aus dem letzten DAK-Gesundheitsreport ebenfalls hervorgeht, entspricht dies im Vergleich zum Jahr 2000 einem Anstieg von 37 Prozent.

Wie stark ist die psychische Belastung laut DAK-Gesundheitsreport?

Ein weiteres Ergebnis des Gesundheitsreports: Spitzenreiter unter den Einzeldiagnosen waren 2019 Depressionen sowie Angststörungen. Hier wurden 105 Fehltage pro 100 Versicherte verzeichnet. Auf Platz zwei kommen psychische Erschöpfungen, wie beispielsweise Anpassungsstörungen. Danach folgten neurotische Störungen mit insgesamt 26 Fehltagen sowie Angststörungen mit 19 Fehltagen.

Warum ist psychischer Arbeitsschutz wichtig?

Die Zahlen des DAK-Gesundheitsreports sind alarmierend. Auf Arbeitgeber kommen in Bezug auf den psychischen Arbeitsschutz besondere Anforderungen zu, um Mitarbeiter vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu schützen. Keinesfalls sollten sie das Probleme stiefmütterlich behandeln.

Es gibt einen steigenden Trend bezüglich psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Mit Hilfe einer Gefährdungsbeurteilung müssen Arbeitgeber diesen Belastungen vorbeugen. Was psychischer Arbeitsschutz bedeutet und was Unternehmen beachten sollten.

Immer mehr Arbeitnehmer können aufgrund psychischer Erkrankungen ihre Tätigkeit im Unternehmen nicht ausüben. In den vergangenen Jahren sind die Fehlzeiten aufgrund von Depressions-Erkrankungen wie beispielsweise Burnout immer weiter angestiegen. Aus diesem Grund ist psychischer Arbeitsschutz unerlässlich.

Was sind psychische Belastungen?

In der Arbeitswissenschaft werden psychische Belastungen als alle Einflüsse verstanden, die bei der Arbeit auf die Beschäftigten zukommen und die auf sie psychisch einwirken.

Zu diesen Belastungsfaktoren zählen zum Beispiel:

  • Zeitdruck
  • hohe Fluktuation bei den Kollegen
  • Mobbing
  • keine klar definierte Aufgabenverteilung
  • Boreout (Unterforderung und häufiges Absitzen der Arbeitszeit)
  • Leistungsdruck
  • Konkurrenzverhalten innerhalb der Belegschaft

Gemäß der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) werden psychische Belastungen als die „Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ definiert. Demnach rufen sie Reaktionen im Denken, in der Wahrnehmung, im Fühlen sowie im Erinnern bei Mitarbeitern eines Betriebs hervor. Darüber hinaus können alle Tätigkeiten psychische Belastungen hervorrufen und jeden arbeitenden Menschen betreffen.

Was sind die Folgen von psychischer Belastung?

Stressreaktionen, Ermüdungserscheinungen oder herabgesetzte Wachsamkeit sind die Folgen von psychischen Belastungen. Allerdings kommt es stark auf die Intensität, die Art und auf die Dauer der einzelnen Belastungsfaktoren an. Kurzzeitige psychische Belastungen müssen nicht zwangsläufig in einer Depression des Betroffenen enden.

Zahlreiche Faktoren lösen psychische Belastungen aus © Krakenimages.com | Adobe Stock

Dennoch können sich psychische Belastungen am Arbeitsplatz auch positiv auf die Beschäftigten auswirken. Wie die BAuA mitteilt, können sie anregend und aktivierend wirken sowie Lernprozesse beschleunigen und zur Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter beitragen. Steigt zum Beispiel der Zeit- und Leistungsdruck innerhalb von kurzer Zeit, kann dies zu einem verstärkten Kollegenzusammenhalt führen.

Ist eine Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen Pflicht?

Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, für jeden Arbeitsplatz im Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. Die rechtliche Grundlage dafür liefert das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Neben körperlichen Arbeitsbelastungen oder durch gefährliche Stoffe, die sich negativ auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirken, muss eine Gefährdungsbeurteilung für die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz erstellt werden.

Gemäß § 5 ArbSchG muss der Arbeitgeber mit der Gefährdungsbeurteilung die Maßnahmen in Bezug auf den Arbeitsschutz ermitteln. Darüber hinaus muss die Beurteilung je nach Art der Tätigkeit vorgenommen werden.

Neben dem ArbSchG finden die psychischen Belastungen ebenfalls in § 3 ArbStättV (Arbeitsstättenverordnung) Berücksichtigung. Zudem bilden § 4 BioStoffV (Biostoffverordnung) sowie § 3 BetrSichV (Betriebssicherheitsverordnung) rechtliche Grundlagen für Gefährdungsbeurteilungen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz.

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Warum ist eine Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen wichtig?

Die Gefährdungsbeurteilung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz spielt in zweifacher Hinsicht eine große Rolle. Sind Mitarbeiter psychischen Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt, können sich die Gefährdungen durch körperliche Tätigkeiten oder im Umgang mit Gefahr- und Biostoffen erhöhen.

Durch die psychischen Belastungen erhöhen sich gleichzeitig andere Gefährdungen, wie beispielsweise körperliche Belastungen oder im Umgang mit Gefahr- und Biostoffen. Eine erhöhe Gefährdung bei Tätigkeiten mit Biostoffen kann dann auftreten, wenn die Beschäftigten unter Zeit- und Leistungsdruck arbeiten müssen. Die erhöhte Gefährdung durch Biostoffe tritt auch dann auf, wenn die Arbeit wiederholt unterbrochen wird.

In der Biostoffverordnung werden Arbeitgeber deshalb dazu verpflichtet, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung tätigkeitsbezogene Erkenntnisse über Belastungs- und Expositionssituationen, einschließlich psychischer Belastungen zu ermitteln (§ 5 BioStoffV)

Psychische Belastungen selbst können zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. Beispiele hierfür sind lange Arbeitszeiten oder unorganisiertes Führungsverhalten. Hier spielen ebenfalls die Dauer und Intensität der Belastungen eine große Rolle.

Aus diesem Grund müssen Arbeitgeber bei Gefährdungsbeurteilung auch die Gefährdungen durch psychische Belastungen selbst ermitteln. Ist die Beurteilung abgeschlossen, müssen sie Maßnahmen einleiten, um die Belastungen zu eliminieren oder auf ein Minimum zu reduzieren.

Wie wird die Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen durchgeführt?

Zudem kann die Gefährdungsbeurteilung mit Hilfe der Gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) erstellt werden.

Die GDA stellt Handlungshilfen bereit, die eine Reihe von Maßnahmen beinhalten und Unternehmen dabei helfen sollen, Fehlbeanspruchungen der Beschäftigten zu erkennen. Gleichzeitig haben die Maßnahmen nicht nur das Ziel, die Fehlbelastungen zu reduzieren, sondern sie sollen präventiv wirken.

Fehlbelastungen müssen mit Handlungshilfen identifiziert und angegangen werden © baranq | Adobe Stock

Bei der Gefährdungsbeurteilung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz müssen folgende vier Punkte geprüft werden:

1. Ausführbarkeit und Menge der Aufgaben

Um Fehlbelastungen bei Arbeitnehmern zu vermeiden, müssen Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Aufgaben ausführbar und zumutbar sind. Wird bei der Beurteilung des Arbeitsplatzes erkannt, dass die Aufgabenfülle aufgrund personeller Ressourcen nicht zu schaffen ist, muss die Verteilung der zu erledigenden Arbeiten neu gedacht werden.

2. Optimierung der Arbeitsbedingungen

Die Optimierung von Arbeitsbedingungen spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention von psychischen Belastungen. Dazu gehört beispielsweise die Überstundenregelung. Hier kann es von Vorteil sein, wenn die Regelung für den Arbeitnehmer mehr Flexibilität zulässt, da er sie aktiv mitgestalten kann. Beispielsweise können Mitarbeiter die Überstunden „abfeiern“ oder sich ausbezahlen lassen.

Darüber hinaus kann der gezielte Abbau von Zeitdruck dazu beitragen, psychischen Belastungen am Arbeitsplatz vorzubeugen. Hier helfen zum Beispiel neue Abläufe bei der Arbeit oder eine neue Verteilung.

Zu den Arbeitsbedingungen gehört auch der kollegiale Zusammenhalt. Das Arbeitsklima ist ein wichtiger Punkt. Aus diesem Grund sind auch der Erhalt und die Förderung der sozialen Beziehungen im Kollegium sehr wichtig. Arbeitgeber sollten Möglichkeiten schaffen, damit sich die Mitarbeiter auch privat austauschen können. Pausenräume oder eine gemeinsame Kaffeemaschine sind hier Optionen. Dadurch reduziert man die Gefahr psychischer Belastung und Beanspruchung.

Genauso bedenklich ist es, wenn Arbeitnehmer vorwiegend allein oder mit zu vielen Kollegen arbeiten müssen. Auch hier müssen sich Arbeitgeber Gedanken darüber machen, wie eine Verarmung der sozialen Kontakte oder eine Überstrapazierung vermieden werden kann.

3. Arbeitsverhältnisse kontrollieren

Es gibt physische Aspekte, wie beispielsweise Licht, Temperatur, Lärm und Luftfeuchtigkeit. Darüber hinaus zählen intensive Gerüche und aggressive oder allergieauslösende Stoffe dazu, die gemäß des Arbeitsschutzgesetzes zu den Hauptkriterien äußerer Einflussfaktoren zählen. Diese Aspekte können psychische Belastungen bei Mitarbeitern auslösen oder verstärken.

Das Gleiche gilt für mangelnde Ergonomie am Arbeitsplatz sowie für Großraumbüros. Beides sind Faktoren, die als Auslöser für psychische Belastungen gelten. Bei der Gefährdungsbeurteilung müssen Arbeitgeber diese speziellen Arbeitsverhältnisse besonders berücksichtigen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Reduzierung oder gänzlichen Vermeidung einleiten.

4. Auswirkungen der Digitalisierung berücksichtigen

Die Digitalisierung verändert Unternehmen in zunehmendem Maße. Die digitale Transformation unternehmerischer Prozesse bringt allerdings nicht nur Vorteile, sondern kann sich unter Umständen negativ auf die Psyche der Beschäftigten auswirken.

In vielen Fällen sind mehr und erweiterte Kenntnisse der Mitarbeiter gefragt. Manchmal wird auch von ihnen verlangt, dass sie sich nach der Arbeit selbstständig weiterbilden und sich mit den neuen digitalen Prozessen vertraut machen.

Aus diesem Grund verlangt die GDA ausdrücklich, in Abstimmung mit den Arbeitnehmern, eine langfristige Planung einzuführen, in der zukünftige Anforderungen und Herausforderungen berücksichtigt werden. Dazu sollte unbedingt ein Gesprächskreis ausgebaut werden, in dem diese und ähnliche Themen besprochen und geplant werden können.

Welche Fehler sollten bei der Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen vermieden werden?

Die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen ist nicht trivial. Schnell passieren Fehler, die vermieden werden können.

Dazu zählen zum Beispiel:

  • Fehlende Zielsetzung
  • Keine vorhandenen Strukturen
  • Ungeeignete Werkzeuge
  • Falscher Schwerpunkt
  • Zu lange Wartezeit

Im Rahmen des Gesundheitsschutzes der Mitarbeiter müssen psychische Belastungen der Mitarbeiter konsequent abgebaut werden. Neben Erschöpfungs- und Ermüdungserscheinungen darf dabei das Mobbing nicht vergessen werden.

Mobbing oder mobben sind Begriffe, die im engeren Sinne für Psychoterror durch Kollegen oder Vorgesetzte am Arbeitsplatz stehen. Etwa jeder siebte Berufstätige ist einer Umfrage zu Folge am Arbeitsplatz ein Opfer von Mobbing geworden. Das teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) auf seiner Webseite mit.

Laut jüngsten Zahlen wurden 15 Prozent aller Berufstätigen im beruflichen Umfeld bereits gemobbt. Darüber hinaus ist das Vorenthalten von Information die häufigste Art von Mobbing. Das geben laut Umfrage von Destatis 63 Prozent der Befragten an.

Arbeitgeber sollten bei der Gefährdungsbeurteilung nicht auf Fragebögen für die Mitarbeiter verzichten. Oft erweist sich dies als problematisch. Darüber hinaus muss sich der Arbeitgeber zuerst um die Verhältnisse am Arbeitsplatz kümmern. Oft wird der Schwerpunkt der Gefährdungsbeurteilung auf das Verhalten der Mitarbeiter gelegt. Die Situation am Arbeitsplatz ist jedoch ebenso wichtig.

Zudem sollten Unternehmen sich nicht zu viel Zeit mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung lassen. Immer wieder gibt es großes Erstaunen bei den Arbeitgebern, wenn plötzlich die Aufsichtsbehörde an die Tür klopft.

Arbeitnehmer haben das Recht auf Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung – und wenn diese sich bei den Aufsichtsbehörden beschweren, dann wird oft schnell gehandelt.