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Foto: © M. Perfectti | Adobe Stock

Gefahrguttransport: Vorschriften und Gefahrenklassen

  • 30.05.2023
  • Christoph Ledder
  • 8 Min.

Alltäglich werden Gefahrgüter national und international von A nach B transportiert. Bei solchen Gefahrguttransporten muss die Sicherheit des transportierten Gefahrguts an erster Stelle stehen. Darüber hinaus sollte der Schutz von Leib und Leben von Menschen und Tieren einen hohen Stellenwert beim Gefahrguttransport einnehmen. Um dramatische Unfälle während des Transports auszuschließen, müssen sich Unternehmen beziehungsweise Arbeitgeber an ein komplexes Regelwerk zum Gefahrguttransport halten. Die Vorschriften gelten nicht nur deutschland- und europaweit, sondern haben internationale Gültigkeit. Die Vorschriften werden in regelmäßigen Abständen vom Gesetzgeber angepasst. Ausschlaggebend sind dafür die neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik.

Was ist die rechtliche Grundlage für einen Gefahrguttransport?

Die gesetzliche Grundlage für Gefahrguttransporte auf der Straße ist das sogenannte ADR. Die Abkürzung steht für “Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route”. Die wörtliche Übersetzung lautet „Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße“. Der Gesetzgeber verwendet allerdings die Abkürzung ADR.

Wesentliche Inhalte des ADR sind: 

  • Vorschriften zu notwendigen Verpackungen des Gefahrguts. Neben den Tanks und anderen Behältnissen, in denen das Gefahrgut für den Transport verpackt ist, unterliegen die Fahrzeuge selbst den Bestimmungen des ADR. Die Vorgaben sind dahingehend sehr streng. 
  • Regeln zur Kennzeichnung
  • Vorgaben zu Sicherheitsmaßnahmen (Ladungssicherung des Gefahrguts sowie Maßnahmen bei Unfällen während des Gefahrguttransports) 
  • Tabellen für die Einstufung der verschiedenen Gefahrgüter nach Punkten; wenn die Stoffe und Stoffgemische, die transportiert werden, eine bestimmte Punktzahl erreichen, müssen die gesetzlichen Vorgaben des ADR zwingend beachtet und eingehalten werden.
  • Definition, welche Güter von den ADR-Vorschriften befreit sind. Wenn eine Befreiung vorliegt, muss keine ADR-Bescheinigung für den Gefahrguttransport vorhanden sein. 

In Deutschland sind die Vorschriften des ADR in der Gefahrgutverordnung und somit im national geltenden Recht verankert. Das Gleiche gilt für die anderen EU-Mitgliedsstaaten sowie für die Länder, die das ADR unterzeichnet haben. Derzeit (Stand: Juli 2022) haben 52 Länder das Abkommen unterschrieben.

Gibt es weitere Gefahrgutvorschriften und für welche Verkehrswege gelten sie?

Ja. Neben dem ADR gibt es Gefahrgutvorschriften für die Eisenbahn beziehungsweise für die Schiene. Hier handelt es sich um die “Ordnung über die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID)”. Die RID enthalten Vorschriften, insbesondere für die Klassifizierung, Verpackung, Kennzeichnung und Dokumentation gefährlicher Güter und für den Umgang während der Beförderung.

Darüber hinaus gibt es Vorschriften für die Gefahrgutbeförderung mit Seeschiffen. Hier ist die Rede vom sogenannten IMDG-Code, dem “Internationalen Code für die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen”. Die Abkürzung IMDG steht für International Maritime Code for Dangerous Goods. Wie das ADR und die RID enthält der IMDG-Code Regeln für die Klassifizierung, Verpackung, Kennzeichnung und Dokumentation gefährlicher Güter auf See.

Neben den internationalen Gefahrgutvorschriften, die sich im IMDG-Code wieder spiegeln, gibt es das “Memorandum of Understanding (MoU)”. Das MoU ist ein Abkommen zwischen den Ostsee-Anrainerstaaten und regelt die Beförderung gefährlicher Güter auf sogenannten RoRo-Schiffen auf der Ostsee. Ein RoRo-Schiff ist ein in der Seefahrt weitverbreitetes Transportschiff, das nach dem Roll-on Roll-off-Verfahren beladen werden kann.

Außerdem sind die “Richtlinien der Gefahrgutverordnung See (GGVSee)” relevant. Unter anderem regeln die GGVSee Zuständigkeiten und Pflichten bei der Beförderung von Gefahrgut mit Seeschiffen, einschließlich Vorbereitungshandlungen. Diese Handlungen beinhalten beispielsweise die Ladung von gefährlichen Gütern in Frachtcontainern, die anschließend auf Seeschiffe verladen werden sollen. Darüber hinaus zählen die Erstellung von Dokumenten, die für die Beförderung erforderlich sind, zu den Vorbereitungshandlungen.

Gibt es eine nationale Verordnung für die Vorschriften des Gefahrguttransportes?

Die GGVSEB ist die „Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit Eisenbahnen und auf Binnengewässern“. Diese Verordnung – auch als Gefahrgutverordnung bekannt – beinhaltet alle Vorschriften für Gefahrguttransporte innerhalb Deutschlands.  Zu den Inhalten der GGVSEB zählen unter anderem: 

  • Pflichten des Beförderers
  • Pflichten des Empfängers
  • Pflichten des Befüllers sowie des Entladers
  • Ausnahmeregelungen vom GGVSEB beziehungsweise von der Gefahrgutverordnung

Gibt es neben dem GGVSEB noch weitere Gesetze, die beim Gefahrguttransport eingehalten werden müssen?

Neben dem GGVSEB spielt beim Gefahrguttransport das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter, das sogenannte Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG), eine wichtige Rolle. Das Gesetz ist die deutsche Rechtsgrundlage für Gefahrguttransporte.

Laut Angaben des Bundesverkehrsministeriums ermächtigt das Gefahrgutbeförderungsgesetz zum Erlass von Verordnungen, wie beispielsweise zur Überführung internationaler und europäischer Regelungen in deutsches Recht und zur Festlegung deutscher Besonderheiten. Darüber hinaus enthält das Gefahrgutbeförderungsgesetz grundsätzliche Vorgaben, zum Beispiel zum Anwendungsbereich sowie zu Begriffsbestimmungen.

Gemäß § 2 Art. 2 umfasst die Beförderung im Sinne dieses Gesetzes nicht nur den Vorgang der Ortsveränderung, sondern auch die Übernahme und die Ablieferung des Gefahrgutes. Zudem umfasst die Beförderung von Gefahrgut gemäß § 2 Art. 2 zeitweilige Aufenthalte im Verlauf der Beförderung, Vorbereitungs- und Abschlusshandlungen.

Ein zeitweiliger Aufenthalt im Verlauf der Beförderung liegt nach dem Gefahrgutbeförderungsgesetz dann vor, wenn dabei gefährliche Güter für den Wechsel der Beförderungsart oder des Beförderungsmittels (Umschlag) oder aus sonstigen transportbedingten Gründen zeitweilig abgestellt werden.

Wie wird Gefahrgut auf der Straße gekennzeichnet?

Die Kennzeichnung eines Gefahrguttransportes erfolgt über die orangefarbenen Warntafeln. Charakteristisch für die Warntafeln sind zwei voneinander abgetrennte Hälften, in denen Nummern stehen. In der oberen Hälfte befinden sich in der Regel zwei, manchmal drei Ziffern. Sie stehen für die Kennzeichnung der Gefahr. Die erste Ziffer steht für die Gefahrenklasse des transportierten Gefahrguts. Wenn es ausreicht, die Gefahr des Gefahrguts durch eine Ziffer anzugeben, wird der eine Null angehängt. In der unteren Hälfte der Warntafel steht die UN-Nummer des Gefahrguts. Die UN-Nummer besteht aus vier Ziffern. Die orangefarbenen Warntafeln müssen gut sichtbar an den Fahrzeugen angebracht werden – auch aus Gründen der Sicherheit für die anderen Verkehrsteilnehmer.

Wie erfolgt die Kennzeichnung von Gefahrgut auf der Schiene und auf See?

Werden Gefahrguttransporte auf Schienen oder auf See beziehungsweise in der Binnenschifffahrt durchgeführt, muss man sie ebenfalls mit orangefarbenen Warntafeln kennzeichnen. Bei diesen Warntafeln handelt es sich um spezielle Folien, die meistens dauerhaft an den Tanks oder Containern angebracht werden und die wiederum den ADR-Vorschriften entsprechen. Die rückstrahlende Oberfläche ist die Anforderung an die Warntafeln. So sind sie auch im Dunkeln gut zu erkennen.

Neben den Warntafeln werden die Großzettel für die Kennzeichnung des Gefahrguttransports verwendet. Bei Gütern in Containern oder in Tanks müssen sie gut sichtbar an den Außenseiten angebracht werden. Bei Gefahrguttransporten mit mehreren gefährlichen Eigenschaften des jeweiligen Gefahrguts können auch mehrere Großzettel angebracht sein.

Warum ist die Kennzeichnung des Gefahrguttransports so wichtig?

Durch die Kennzeichnung mit den Warntafeln sowie den Großzetteln sollen einerseits die anderen Verkehrsteilnehmer auf den Gefahrguttransport aufmerksam gemacht werden. Das Ziel der Kennzeichnung ist es, Unfälle zu vermeiden.

Andererseits dient die Kennzeichnung den eintreffenden Rettungskräften an der Unfallstelle, der Identifikation des Gefahrguts. Anhand der Gefahrenklasse und der UN-Nummer erkennen die Feuerwehren um was für Gefahrstoffe es sich bei dem Gefahrguttransport handelt und so die Schädigungen für Menschen und Tiere eindämmen.

Welche Gefahrenklassen gibt es?

Gefahrstoffe werden in insgesamt neun Gefahrklassen eingeteilt. Diese sind: 

  • Gefahrenklasse 1: Explosive Stoffe
  • Gefahrenklasse 2: Gase
  • Gefahrenklasse 3: Entzündbare flüssige Stoffe
  • Gefahrenklasse 4.1: Entzündbare feste Stoffe
  • Gefahrenklasse 4.2: Selbstentzündliche Stoffe
  • Gefahrenklasse 4.3: Stoffe, die in Verbindung mit Wasser entzündbare Gase   
                                       entwickeln
  • Gefahrenklasse 5.1: Entzündend (oxidierend) wirkende Stoffe
  • Gefahrenklasse 5.2: Organische Peroxide
  • Gefahrenklasse 6.1: Giftige Stoffe
  • Gefahrenklasse 6.2: Ansteckungsgefährliche Stoffe
  • Gefahrenklasse 7: Radioaktive Stoffe
  • Gefahrenklasse 8: Ätzende Stoffe
  • Gefahrenklasse 9: Verschiedene gefährliche Stoffe und Gegenstände

Welche Beförderungspapiere müssen auf Gefahrguttransporten mitgeführt werden?

Bei einem Gefahrguttransport auf der Straße muss die ADR-Gefahrguterklärung mitgeführt werden. In der Gefahrguterklärung stehen folgende Angaben:

  • UN-Nummer des Gefahrguts
  • Bezeichnung des Gefahrguts
  • Stoffklasse und Verpackungsgruppe
  • Menge des Gefahrguts, das transportiert wird
  • Daten des Absenders (Name und Anschrift)
  • Daten des Empfängers (Name und Anschrift)

Haben Fahrer von Gefahrguttransporten auch Pflichten?

Ja, die Fahrer müssen auf jedem Gefahrguttransport ein Unfallmerkblatt mit sich führen. In diesem Unfallmerkblatt stehen alle wichtigen Informationen zur Ausrüstung des Fahrzeugs sowie wichtige Schutzmaßnahmen, die bei einem Unfall getroffen werden müssen.

Ein solches Merkblatt ist auch beim Gefahrguttransport mit dem Flugzeug erforderlich. Hier ist es die sogenannte „Shipper´s Declaration“. Dieses muss folgende Angaben enthalten:

  • UN-Nummer
  • Offizielle Bezeichnung des Gefahrguts (in englischer Sprache)
  • Stoffklasse und Verpackungsgruppe
  • Anzahl und Beschreibung der Versandstücke
  • Menge des Gefahrguts, das transportiert wird
  • Verpackungsvorschrift
  • Daten des Absenders (Name und Anschrift)
  • Daten des Empfängers (Name und Anschrift)

Benötigen Unternehmen einen Gefahrgutbeauftragten?

Unternehmen müssen dann einen Gefahrgutbeauftragten bestellen, wenn sie nach § 1 Abs. 1 Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV) an der Beförderung gefährlicher Güter mit Eisenbahn-, Straßen-, Wasser- oder Luftfahrzeugen beteiligt sind. Der Gefahrgutbeauftragte muss in den Unternehmen schriftlich bestellt werden.

Die Funktion des Gefahrgutbeauftragten kann entweder der Unternehmer selbst oder ein Beschäftigter des Unternehmens übernehmen. Darüber hinaus kann ein Externer die Aufgaben des Gefahrgutbeauftragten übernehmen. Wenn es mehrere Gefahrgutbeauftragte im Betrieb gibt, müssen die Kompetenzen und Zuständigkeiten im Vorfeld eindeutig geregelt und schriftlich festgehalten werden.

Der Gefahrgutbeauftragte muss eine Schulung bekommen und stets den erfolgreichen Abschluss dieser Schulung vorzeigen können. Zudem müssen alle Beschäftigten des Betriebs den Gefahrgutbeauftragten kennen beziehungsweise darüber informiert werden, wer er ist.

Können Unternehmen auch von der Pflicht der Bestellung des Gefahrgutbeauftragten befreit werden?

Ja, unter den folgenden Bedingungen ist eine Befreiung von der Pflicht zur Bestellung möglich:

  • Wenn Betriebe ausschließlich Empfänger von Gefahrgut sind.
  • Das beförderte Gefahrgut pro Kalenderjahr wiegt nicht mehr als 50 Tonnen netto und ist für den Eigenbedarf bestimmt. Bei radioaktiven Stoffen gilt diese Eigenbedarfsregelung ausschließlich für die UN-Nummern 2908 bis 2911.
  • Die Befreiung gilt dann, wenn sie ausschließlich als Auftraggeber des Absenders Gefahrguttransporte durchführen und nicht mehr als 50 Tonnen netto befördern. Dies gilt allerdings nicht für radioaktive Stoffe der Klasse 7 sowie für gefährliche Güter der Beförderungskategorie 0 gemäß Abs. 1.1.1.6.3 ADR.
  • Wenn Betriebe ausschließlich Verpackungen für das Gefahrgut herstellen und prüfen.

Was sind die Aufgaben eines Gefahrgutbeauftragten?

Ein Gefahrgutbeauftragter wird mit einer ganzen Fülle von Aufgaben betraut. Dazu gehören unter anderem:

  • Überwachung der Einhaltung der Vorschriften für den Gefahrguttransport
  • Beratung des Unternehmens in Bezug auf geeignete Maßnahmen zur Einhaltung der Vorschriften
  • Durchführung von Schulungen für die Beschäftigten, die an einem Gefahrguttransport beteiligt sind
  • Erstellung von Unfallberichten des Gefahrguttransports
  • Meldung von Verstößen gegen das Gefahrgutrecht

Neben den Aufgaben gibt es Pflichten des Gefahrgutbeauftragten. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Er muss stets Aufzeichnungen darüber führen, wann er seine Überwachungstätigkeit begonnen und beendet hat. Außerdem muss er die Namen der überwachten Personen und der überwachten Geschäftsvorgänge angeben.
  • Gemäß Gefahrgutbeauftragtenverordnung muss er die Aufzeichnung mindestens fünf Jahre nach der Erstellung aufbewahren. Die Aufzeichnungen muss er auf Verlangen der zuständigen Behörde in Schriftform vorlegen.
  • Anfertigung eines Unfallberichts innerhalb eines halben Jahres nach Ablauf des Geschäftsjahres