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Foto: © Robert Kneschke - Adobe Stock

Manuelles Heben, Halten und Tragen von Lasten: Wie die Leitmerkmalmethode durchgeführt wird

  • 13.04.2022
  • Redaktionsteam SafetyXperts
  • 6 Min.

In Unternehmen, in denen während eines Arbeitstages Lasten gehoben, getragen oder gehalten werden, wird die körperliche Belastung durch die entsprechende Leitmerkmalmethode bewertet. Was Arbeitgeber über die sogenannte LMM-HHT wissen müssen und wie sie durchgeführt wird.

In Unternehmen, in denen die Beschäftigten körperlichen Belastungen ausgesetzt sind, muss eine Gefährdungsanalyse des Arbeitsplatzes vorgenommen werden. Die Leitmerkmalmethoden sind dafür die Instrumente für die Analyse.

Was versteht man unter den Leitmerkmalmethoden?

Die gesetzliche Pflicht zur Durchführung der Gefährdungsanalyse findet sich im Arbeitsschutzgesetz. In § 5 des ArbSchG ist festgeschrieben, dass Arbeitgeber entsprechende Maßnahmen durchführen müssen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu garantieren (Arbeitsschutzgesetzes)

Daneben gibt es die sogenannte Lastenhandhabungsverordnung. § 2 der Verordnung schreibt vor, dass Betriebsinhaber entsprechende Maßnahmen treffen müssen, um gesundheitlichen Schäden infolge des manuellen Hebens, Haltens und Tragens von Lasten vorzubeugen.

In Zusammenarbeit mit der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sechs Leitmerkmalmethoden entwickelt. Eine davon ist die Leitmerkmalmethode Manuelles Halten, Heben und Tragen von Lasten (LMM-HHT). Im Folgenden wird die Definition dieser Methode erläutert und Angaben zur Durchführung gemacht.

Definition der LMM Heben, Halten, Tragen

Die LMM-HHT beschreibt das manuelle Heben, Halten und Tragen von Lasten mit mehr als drei Kilogramm. Darüber hinaus wird mit der Methode die Belastung des Umsetzens von Lasten erfasst. Lasten sind vor diesem Hintergrund Gegenstände und Tiere. Zudem schließt die Leitmerkmalmethode verwandte Formen des Hebens ein. Als Beispiel gilt hier das Senken von Lasten. Auch das überwiegend horizontale Umsetzen schließt die LMM-HHT mit ein.

Tätigkeiten, die mit dieser LMM beschrieben werden, sind beispielsweise das Auf- und Abladen von Säcken, das Umladen von Waren auf Paletten sowie Dacharbeiten. Aber auch die körperliche Belastung bei der Betreuung von Kindern in KITAS sowie der manuelle Krankentransport werden mit der Leitmerkmalmethode beschrieben.

Wenn sich die Last verändert, können unter Umständen auch andere Leitmerkmalmetoden zur Erfassung der körperlichen Belastung herangezogen werden. Wenn sich die Last in Abhängigkeit des jeweiligen Kräfteniveaus ändert, müssen die Leitmerkmalmethoden Ganzkörperkräfte (LMM-GK) und/oder Manuelle Arbeitsprozesse (LMM-MA) herangezogen werden.

Das Gleiche gilt, wenn eine Last über ein längere Distanz getragen wird oder in Verbindung mit erschwertem Gehen bewegt wird. Letzteres trifft zum Beispiel bei Ackerböden oder Schächten zu. Dann muss zur Bewertung der Arbeitsbelastung auch die Leitmerkmalmethode Körperfortbewegung /LMM-KB) berücksichtigt werden. Diese Methode wird auch dann angewandt, wenn die Last auf einer oder beiden Schultern mit einem Rucksack bewegt wird.

Wenn das Heben, Halten und Tragen von Lasten mit Hilfsmitteln mit Zangen oder Schaufeln bewegt wird, ohne dabei das Transportgut zu bearbeiten, werden die Leitmerkmalmethoden Manuelle Arbeitsprozesse oder Ganzkörperkräfte angewandt.

Die LMM-HHT beurteilt die körperliche Belastung von einer Teiltätigkeit. Wenn an einem Arbeitstag mehrere unterschiedliche Teiltätigkeiten auftreten, müssen diese getrennt voneinander erfasst und beurteilt werden. Die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung kann nur dann beurteilt werden, wenn alle Belastungen erfasst werden während eines Arbeitstages.

4 Schritte zur Durchführung der Bewertung und Beurteilung

Insgesamt sind es vier Schritte, mit denen die LMM-HHT durchgeführt wird.

  1. Bestimmung der Zeitwichtung
  2. Bestimmung der Wichtung der weiteren Merkmale
  3. Bewertung und Beurteilung der Teiltätigkeit
  4. Gestalt und Vorsorge

Diese werden nachfolgend detailliert beschrieben.

1. Bestimmung der Zeitwichtung

In einem ersten Schritt wird die Zeitwichtung bestimmt. Hier ist die Anzahl der Wiederholungen bei Hebe-, Absenk-, Umsetz-, Halte- oder Tragevorgängen innerhalb der zu beurteilenden Teiltätigkeit von enormer Bedeutung.

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Für die Beurteilung der physischen Belastung spielen Wiederholungen eine entscheidende Rolle © pressmaster – Adobe Stock

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) stellt für die Bestimmung der Zeitwichtung eine Tabelle zur Verfügung, die als Hilfsmittel für Arbeitgeber dient. In dieser können die Häufigkeiten und Wiederholungen der Teiltätigkeiten angegeben werden. Darüber hinaus wird der Häufigkeit ein Wert – die Zeitwichtung – zugeordnet. Die Zeitwichtung liegt zwischen eins und zehn. Werte unter eins können nicht angegeben werden.

2. Bestimmung der Wichtung der weiteren Merkmale

Jede Teiltätigkeit eines Arbeitstages ist durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet und wird dementsprechend unterschiedlich gewichtet. Merkmale sind das Lastgewicht, die Lastaufnahmebedingungen, die Köperhaltung, die ungünstigen Ausführungsbedingungen sowie die Arbeitsorganisation und die zeitliche Verteilung.

Beim Lastgewicht wird nochmals zwischen Männer und Frauen unterschieden. Laut Angaben der BAuA ist mit dem wirksamen Lastgewicht die Belastung gemeint, die von den Beschäftigten tatsächlich aufgebracht werden muss. Wenn ein Karton zum Beispiel gekippt wird, wirken nur 50 Prozent des Lastgewichts. Wird eine Last zu zweit getragen, wirken pro Person rund 60 Prozent des Lastgewichts.

Beim Merkmal Lastaufnahme wird nochmals differenziert. Entweder ist die Lastaufnahme beidhändig und symmetrisch oder die Teiltätigkeit wird zwischenzeitlich einhändig und/oder unsymmetrisch ausgeführt. Darüber hinaus kann die Lastaufnahme auch nur einhändig erfolgen. Bei den Lastaufnahmebedingungen gibt es die Wichtungen 0 bis 4. Die einzelnen Differenzierungen werden den Punktwerten zugeordnet.

Im zweiten Schritt zur Durchführung der Leitmerkmalmethode wird auch die Körperhaltung als Merkmal der Teiltätigkeit behandelt. Anhand von Piktogrammen der BAuA können die Wichtungspunkte zugeordnet werden.

Wenn sich mehrere Piktogramme in einem Feld befinden, sind diese als gleichwertig anzusehen. Darüber hinaus gibt es vor dem Hintergrund der Körperhaltung Zusatzpunkte. Dazu gehören beispielsweise Arbeiten mit angehobenen Händen oder Tätigkeiten, bei denen der Rumpf verdreht oder seitlich geneigt wird.

Darüber hinaus werden in dem zweiten Schritt Teiltätigkeiten der Beschäftigten erfasst und bewertet, die sich durch ungünstige Ausführungsbedingungen auszeichnen. Dazu zählen zum Beispiel die Hand- und Armstellung und -bewegung sowie die eingeschränkten Umgebungsbedingungen.

Gerade bei diesem Merkmal treten bei den Tätigkeiten Belastungen durch Hitze, Zugluft oder Nässe auf. Zudem können die räumlichen Bedingungen eingeschränkt sein. Dazu zählen zum Beispiel eine zu kleine Arbeitsfläche von unter 1,5 Quadratmetern, ein unebener und verschmutzter Boden sowie eine leicht eingeschränkte Standsicherheit.

Bei den ungünstigen Ausführungsbedingungen werden Zwischenwichtungen von 1 bis 5 vergeben. Es gibt auch die Wichtung 0. Diese dürfen Arbeitgeber aber nur dann angeben, wenn keine ungünstigen Ausführungsbedingungen vorliegen. Die einzelnen Punkte der Ausführungsbedingungen müssen auch nur dann angegeben werden, wenn sie für den Arbeitsplatz zutreffen.

Die BAuA hat die ungünstigen Ausführungsbedingungen auf seiner Webseite zusammengestellt.

Die Arbeitsorganisation und zeitliche Verteilung ist ein weiteres Merkmal einer Tätigkeit, das gewichtet wird. Hier wird nochmals unterschieden:

GutEingeschränktUngünstig
Belastungswechsel aufgrund weiterer Tätigkeiten finden häufig statt. Es gibt keine enge Abfolge von höheren Belastungen an einem Arbeitstag. Hier findet selten ein Belastungswechsel durch andere Tätigkeiten statt. Gelegentlich erfolgt eine enge Abfolge von höheren Belastungen an einem Arbeitstag. Es erfolgt kaum ein Belastungswechsel durch andere Tätigkeiten. Darüber hinaus ist die enge Abfolge von höheren Belastungen kennzeichnend.

Die Wichtungspunkte liegen zwischen 0 und 4.

3. Bewertung und Beurteilung der Teiltätigkeit

Die Bewertung einer Teiltätigkeit erfolgt anhand eines Punktwertes, der auf die Tätigkeit bezogen ist. Die Wichtungen der Leitmerkmale werden zusammenaddiert und anschließend mit der Zeitwichtung multipliziert. Der daraus resultierende Punktwert wird einem Risikobereich zugeordnet. Dieser Bereich gibt die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung wieder. Anhand des Risikobereichs können Arbeitgeber gesundheitliche Folgen für die Beschäftigten ableiten und entsprechende Handlungsmaßnahmen einleiten.

4. Gestaltung und Vorsorge

Kollektive und individuelle Gestaltungsmaßnahmen sollten ab dem Risikobereich 3 ergriffen werden. Ratsam ist es, dass Arbeitgeber Arbeitsmedizinische Vorsorge (ArbMedVV) anbieten.

Präventionsmaßnahmen sind in besonderem Maß für schutzbedürftige Beschäftigungsgruppen durchzuführen. Dazu gehören Jugendliche oder körperlich beeinträchtigte Beschäftigte. Die höchsten Punktwerte der Leitmerkmale geben Aufschluss über die Ursachen erhöhter Belastungen und sind ein Grund dafür, Änderungen am Arbeitsplatz vorzunehmen.

Fazit – Heben, Halten und Tragen von Lasten

Mit der LMM-HHT sollen auf einfache Art und Weise, die wesentlichen Belastungsmerkmale dokumentiert werden. Darüber hinaus eignet sich die LMM dafür, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Belastungen deutlich zu machen. Dadurch kann auch die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung besser herausgearbeitet werden.

Mit dem beschriebenen Verfahren wird die Belastung erfasst und beurteilt, die sich durch das Heben, Halten und Tragen von Lasten ergibt. Dafür sind die Zeitwichtung sowie die Wichtungspunkte der Leitmerkmale entscheidend. Zu den Merkmalen gehören unter anderem das wirksame Lastgewicht, die Lastaufnahmebedingungen, die Körperhaltung sowie die ungünstigen Ausführungsbedingungen.

Voraussetzung für die Beurteilung ist eine gute Kenntnis der Teiltätigkeit. Wenn diese nicht vorhanden ist, darf der Arbeitgeber keine Beurteilung vornehmen. Grobe Schätzungen und Vermutungen würden laut Angaben der BAuA zu falschen Ergebnissen führen.

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