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Kennzahlen zur psychischen Gefährdung
Foto: © PopTika - Shutterstock

Kennzahlen zur psychischen Gefährdung

  • 18.04.2022
  • Jürgen Loga
  • 3 Min.

Die Aufsichtsbehörden haben für alle Arbeitgeber genau festgelegt, wie bei einer psychischen Gefährdungsbeurteilung vorgegangen werden sollte. Die „Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz“ ist damit auch für Sie maßgeblich! Dort wird auch festgelegt, dass dafür erhobene Kennzahlen zur psychischen Gefährdung die Abläufe deutlich erleichtern. Ich zeige Ihnen in diesem Artikel, wie Sie dabei vorgehen.

Die Leitlinie der „gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie“ sagt dazu im Anhang „Instrumente und Methoden“, dass bei der Erstellung unter anderem die folgenden Qualitätsgrundsätze anzuwenden sind: „Das Instrument/Verfahren beinhaltet Methoden bzw. Hilfestellungen zur Beurteilung, ob Maßnahmen zur Minderung von Gefährdungen durch psychische Belastung erforderlich sind oder nicht. Methoden/Anleitung zu einer sachlich begründeten bzw. nachvollziehbaren Beurteilung, z. B. durch Nutzung empirischer Vergleichswerte, im Instrument/Verfahren festgelegte Kriterien oder „Schwellenwerte“, Beurteilung im Workshop/ Analyseteam.“

Daher ist es für Sie wichtig und sinnvoll, Kennzahlen zu erheben, die die psychische Gefährdung in einem Unternehmen darstellen. Diese haben Sie in der Regel sowieso schon vorliegen, nur werden sie bislang in einem anderen Zusammenhang genutzt! Entscheidend ist, dass die Betrachtung der Kennzahlen zur psychischen Gefährdung immer für einen klar definierten Zeitraum gilt, also jetzt im Jahr 2017 rückblickend für das Jahr 2016. Das macht allein schon deshalb Sinn, weil die EDV die Daten oft nur über ein gesamtes Geschäftsjahr erfasst und separat darstellt.

Eine Master-Arbeit der SRH-Hochschule Heidelberg aus dem Jahr 2016 hat die Zusammenhänge zwischen Kennzahlen wissenschaftlich untersucht. Sie zeigt, dass schon wenige Informationen ausreichen, um das Risiko oder Vorliegen psychische Gefährdungen vorab zu erkennen.

Nachfolgend habe ich Ihnen in einer Liste diese Kennzahlen und die Stelle aufgeführt, wo diese üblicherweise erhoben werden. Aus Gründen des Datenschutzes sind keine personalisierten Daten erlaubt – und auch nicht notwendig! Lassen Sie sich die Liste nach Abteilung oder Kostenstellen ausgeben.

Kennzahlen zur psychischen Gefährdung

1. AU-Tage

Die Arbeitsunfähigkeit wird in Tagen gemessen (AU-Tage) und entspricht der Krankschreibung. Der Arbeitgeber ist gesetzlich gezwungen, diese Zahl zu erfassen. Die AU-Tage alleine zeigen noch keine psychische Gefährdung auf – in Zusammenhang mit anderen Kennzahlen sind diese dafür aber ein Indiz! Die AU-Tage werden in der Regel in der Zeiterfassung oder der Lohnabrechnung erfasst. Sofern Sie mit einem externen Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zusammenarbeiten, kann diese Ihnen sehr schnell eine Aufstellung anfertigen.

2. Anzahl der Überstunden

Aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers muss dieser ebenfalls auch die Anzahl der Überstunden erfassen. In unserer Ausgabe 4/2016 habe ich bereits darauf hingewiesen, dass „Vertrauensarbeitszeit“ nicht bedeutet, Überstunden zu ignorieren. Sollten keine Überstunden erfasst werden, fragen Sie unbedingt die betreffenden Arbeitnehmer schriftlich nachträglich ab, ob Überstunden in dem Zeitraum angefallen sind bzw. ob diese mit der Arbeitszeit zurechtgekommen sind. Ansonsten riskieren Sie bei einer Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden eine Aberkennung Ihrer Gefährdungsbeurteilung! Auch die Überstunden werden in der Regel durch die Zeiterfassung erhoben.

3. Anzahl nicht genommener Resturlaub

Gemäß Bundesurlaubsgesetz müssen die Arbeitnehmer innerhalb des Arbeitsjahres den gesamten Urlaub genommen haben. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf Urlaub auf das nächste Jahr übertragen werden. Als Arbeitgeber erfassen Sie in Ihrer Zeiterfassung oder dem Lohnprogramm diese Resturlaubstage.

4. Anzahl BG-gemeldeter Unfälle

Diese Zahl wird in der Regel auch bei der Lohnabrechnung verwaltet!

5. Anzahl schriftlich vorliegender Beschwerden bezüglich Überlastung oder Monotonie

Auch wenn kein ausgefülltes Formular vorliegt, sondern nur eine E-Mail oder etwas Handschriftliches, muss dies berücksichtigt werden!

6. Fluktuationsrate

Ständige psychische Beanspruchung führt natürlich auch zu einer erhöhten Fluktuation. Die Anzahl der Arbeitnehmer, die in dem jeweiligen Bereich innerhalb des Zeitraums gekündigt haben, liefert Ihnen Ihr Lohnprogramm.

7. Anzahl vorgenommener BEM-Einladungen

Jede Einladung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) zeigt auch auf, dass ein längerer Krankenstand (42 Tage in den letzten 365 Tagen) vorliegt. Nahezu alle Krankheiten, die durch psychische Belastungen entstanden sind, werden von BEM erfasst. Deshalb ist es so wichtig, die Anzahl der BEM-Einladungen zu erfassen. Der BEM-Beauftragte oder der Personalverantwortliche des Arbeitgebers kann Ihnen die Zahlen zur Verfügung stellen. (Zum Thema BEM habe ich Ihnen in dieser Ausgabe auch einen separaten Artikel zusammengestellt.)

Wie geht es dann weiter?

Wenn Sie für jede Abteilung die Kennzahlen zur psychischen Gefährdung vorliegen haben, vergleichen Sie die Abteilungen untereinander. Ergänzend dazu können Sie auch die gesetzliche Krankenkasse, bei der die meisten Arbeitnehmer Ihres Unternehmens beschäftigt sind, um vergleichende Kennzahlen im Bereich der AU-Tage bitten. Ihre Berufsgenossenschaft hat für Sie auch Zahlen parat, die z. B. aufzeigen, ob die Häufigkeit der gemeldeten BG-Unfälle für Ihren Bereich überdurchschnittlich ist. Erstellen Sie danach ein Ranking der Abteilungen, wo am meisten AU-Tage, Überstunden, nicht genommene Urlaubstage, Fluktuation und BEM-Einladungen vorliegen. Um diese Abteilungen kümmern Sie sich dann priorisiert, indem z. B.

Mitarbeiterbefragungen durchgeführt werden, Arbeitsplatztypen gebildet und dann durch ein Experteninterview untersucht werden, Workshops mit einem Supervisor veranstaltet werden, in dem die Arbeitnehmer Vorschläge erarbeiten.