Machen Smartphones krank? – So reduzieren Sie die Belastung
Mobile Kommunikationsgeräte können den Körper stärker belasten, als es uns bewusst ist. Ein neuer Review der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) fasst den aktuellen Stand der Arbeitsmedizin zur körperlichen Belastung und Beanspruchung durch Tablet- PCs und Smartphones zusammen. Darin finden sich auch Hinweise, wie Sie diese Belastungen für Ihre Mitarbeiter verringern können.
Etwa 9 von 10 Menschen in Deutschland bis 64 Jahren nutzen ein Smartphone. Wie kaum ein anderes technisches Gerät sind die handlichen Kreuzungen aus Mobiltelefon und Computer in unseren Alltag vorgedrungen. Leider hat dies nicht immer nur Vorteile. Die erhöhte Nutzung von Mobilgeräten führt zu neuen Belastungen für unseren Geist und Körper und der Verdacht bestätigt sich, dass uns die geliebten Smarphones krank machen.
Mobilgeräte sind ein Fall für den Arbeits- und Gesundheitsschutz
Auch an immer mehr Arbeitsplätzen werden die „Smart Devices“ eingesetzt. Damit wird das Smartphone oder Tablet zum Arbeitsmittel und das hat Folgen für Arbeitgeber und Arbeitsschutzverantwortliche:
Die Mobilgeräte müssen
- sicher sein.
- für ihren Einsatzzweck geeignet sein.
- im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich ihres sicheren und gesundheitsgerechten Einsatzes geprüft werden.
- ggf. in ihrer Verwendung durch geeignete Schutzmaßnahmen begleitet werden.
Auf Punkt 1, die Sicherheit mobiler Geräte, haben Sie als Arbeitsschützer kaum Einflussmöglichkeiten. Auch bei den zuletzt immer wieder diskutierten Brandrisiken durch explodierende Lithium-Ionen-Akkus können Sie sich nur an den Empfehlungen der Hersteller orientieren und ggf. Rückrufaktionen nutzen. In diesem Fachbeitrag geht es jedoch nicht um diese physikalisch-technischen Risiken, sondern um Gesundheitsrisiken. Wer meint, solche gäbe es nicht und dass die handlichen Geräte unseren Körper nicht belasten, wird durch eine neue BAuA-Studie eines Besseren belehrt. Denn diese Studie zeigt deutlich, dass die Nutzung von Mobilgeräten und insbesondere Smartphones krank macht.
Gesundheitsbeschwerden durch Mobilgeräte: Schmerzende Daumen, Finger, Schultern und Nacken
In dem Ende November vorgelegten „Review zu physischer Beanspruchung bei der Nutzung von Smart Mobile Devices“ haben die BAuA-Autoren einige Dutzend wissenschaftliche Befunde zu Risiken der körperlichen Beanspruchung durch Smartphones gesammelt und ausgewertet. Belegt sind Belastungen und Risiken für den Schulter-Nacken- Bereich, den oberen Rücken, die Unterarme, Hände und Finger.
Für die folgenden Beschwerden zeigt sich ein Zusammenhang mit einer intensiven Nutzung von Mobilgeräten mit Touchscreens:
- Sehnenscheidenentzündungen im Daumen
- Tendinopathien im Daumen, das sind nichtentzündliche Erkrankungen der Sehnen, meist im Bereich des Handgelenks
- Tendinosis im langen Daumenstrecker, eine degenerative Erkrankung
- myofaziales Schmerzsyndrom = Schmerzen durch Überlastung, insbesondere in Zeigefingermuskel und Fingerstrecker
- Schmerzen im Bereich des Nackens und des oberen Rückens
Wann und wodurch die Smartphone-Nutzung zur Belastung wird
Es ist leider kaum möglich, allgemein gültige Richtlinien aufzustellen, um die genannten Belastungen sicher zu unterbinden. Zu diesem Schluss kommen auch die Autoren der BAuA-Studie. Denn die individuellen Unterschiede der Nutzung und damit der möglichen physischen Belastung sind zu groß: Nicht nur Größe und Gewicht der Geräte unterscheiden sich, auch die Umgebungsfaktoren wie Beleuchtung sowie die Art der Nutzung (z. B. im Stehen oder im Sitzen, mit dem Gerät in der Hand oder auf dem Schoß). Damit wären „Grenzwerte für Nutzungsdauern“ o. Ä. wenig sinnvoll und entsprechende Regelungen nicht zu erwarten.
Gleichwohl gibt die Studie Aufschluss darüber, wo und wodurch die Gesundheitsgefährdungen bestehen. Machen Sie in Ihren Unterweisungen auf die folgenden Punkte aufmerksam. Die physische Belastung steigt,
- durch Smartphones und Tablets wenn sie länger andauernd verwendet werden.
- wenn wir Mobilgeräte aufgrund der kleinen Eingabefläche eng halten müssen, um sie mit beiden Händen greifen zu können.
- durch die häufige Wiederholung von Bewegungen, etwa beim Eintippen von Text.
- wenn wir bei der Nutzung von Mobilgeräten in eine statische Körperhaltung verfallen, typisch sind ein gebeugter Nacken, vorgezogene Schultern und ein vorgebeugter Rumpf.
Die Belastung wird durch folgende Faktoren zusätzlich verstärkt:
- Die Tablets werden aufgrund der kleinen virtuellen Tastatur oft mit deutlich überstreckten und seitlich gebeugten Handgelenken bedient.
- Je nach Daumenlänge und Bildschirmgröße muss der Daumen beim Tippen gestreckt oder stark abgeknickt werden.
- Es ist beim Eingeben von Text oder Daten per Touchscreen oft schwieriger, eine Tipppause einzulegen, weil man jede nicht gezielte Berührung des Bildschirms vermeiden muss. Die Finger schweben stattdessen über der Bildschirmtastatur. Damit entfallen die wichtigen Ruhepausen für die Muskulatur der Handgelenke.
- Nicht nur die Muskulatur von Rücken und Oberkörper erstarrt oft während des Tippens einer Nachricht, auch der Atem wird kurz und flach, der ganze Körper angespannter.
Die meisten dieser Vorgänge und physiologischen Veränderungen werden uns gar nicht bewusst. Und sie wirken sich kurzzeitig auch kaum aus. Doch bei häufiger und länger anhaltender Benutzung werden sie zum Belastungsfaktor für Muskulatur, Sehnen und Gelenke.
Für Beeinträchtigungen des visuellen Systems, unserer Augen, gibt die Studie Entwarnung. Eine große Bedeutung kommt jedoch der Beleuchtung zu. Denn wenn schlechte oder wechselnde Lichtverhältnisse zu Blendungen und Reflexionen führen, wirkt sich das auch auf die physische Anspannung der Muskulatur aus. Wer z. B. versucht, den Bildschirm mit dem eigenen Körper zu beschatten, gerät dabei oft unmerklich in eine ungünstige Körperhaltung. Verspannungen, Kopfschmerzen und Müdigkeit sind die Folgen.
So verringern Sie die Belastungen für Ihre Mitarbeiter
Als Arbeits- und Gesundheitsschützer in einem Unternehmen, in dem Smartphones oder andere mobile Kleingeräte wie Tablets oder Blackberrys eingesetzt werden, sollten Sie nicht nur um die genannten Risiken wissen. Diese physischen Belastungen sind auch ein Thema für Mitarbeiterunterweisungen. Machen Sie – optimalerweise unterstützt durch Ihren Betriebsarzt – deutlich, auf welche Weise Ihre Mitarbeiter die Belastungen und Risiken im Umgang mit Mobilgeräten verringern können:
- Mobilgeräte grundsätzlich gezielt und eher kurzzeitig einsetzen, nicht zur dauerhaften Verwendung vorsehen.
- Wenn viele Daten dargestellt oder viel Text eingegeben werden muss, eher ein Tablet verwenden.
- Wenn das Gerät viel getragen und gehalten werden muss, ein Smartphone vorziehen.
- Besser beide Daumen benutzen, als in die häufig gesehene Ein-Daumen-Bedienung zu verfallen.
- Ablage- oder Aufstellmöglichkeiten zur Entlastung für Arme und Rücken nutzen.
- Eingabefreundliches Zubehör verwenden, wie z. B. eine externe Tastatur oder Maus.
- Tablets nach Möglichkeit horizontal statt vertikal benutzen.
- Für unvermeidliche und länger andauernde Lese- oder Eingabetätigkeiten das Gerät an einen größeren Monitor, TV o. Ä. anschließen bzw. vernetzen.
- Wenn es unvermeidlich ist, längere Texte einzutippen, beide Hände benutzen und in mäßigem Tempo tippen.
Die genannten Aspekte gelten gleichermaßen sowohl für privat mitgebracht wie auch für die vom Unternehmen bereitgestellten Mobilgeräte.
In Sachen Licht und Beleuchtung gilt für Smartphones:
- Blendungen stets vermeiden, reflexionsarme Displays mit hohem Kontrast und in geeigneter Größe bevorzugen, ggf. reflexionsmindernde Folien anbringen.
- Geräte mit mattem Bildschirm und hellem Hintergrund sind günstiger als glänzende Bildschirme.
- Smart Devices für den Außen-Einsatz sollten über eine große Helligkeit verfügen.
- Mobilgeräte nicht ab einer Beleuchtung von mehr als 1.000 Lux einsetzen, wenn Kontrastverluste, Reflexion und Blendung das Ablesen und Erkennen erschweren.
Last, not least gilt auch für mobile Kommunikationsgeräte beim Einsatz als Arbeitsmittel in Unternehmen die Betriebssicherheitsverordnung. Und laut dieser muss ein Arbeitsmittel für „die Art der auszuführenden Arbeiten geeignet“ sein. Smartphones und Tablets sind für viele Aufgaben sinnvoll, zum Schreiben längerer Texte oder Eingeben größerer Datenmengen sind sie definitiv aber nicht geeignet, zumindest nicht, solange dies per Finger- und Daumentipperei auf einem kleinen Touchscreen geschehen muss. Bei der Nutzung von Spracherkennungssystemen ist dies neu zu bewerten. Funktioniert eine Spracherkennung zuverlässig und kann mühsames Eintippen ersetzen, kann dies durchaus zu einer gesundheitsgerechteren Nutzung von Mobilgeräten beitragen.
FAZIT: Das Smartphone und Co können ebenso wie viele andere mobile technische Geräte unsere Arbeit erleichtern. Doch wie bei allen anderen Arbeitsmitteln kann eine falsche oder ungünstige Art der Nutzung körperliche Beschwerden hervorrufen, sodass uns die Smartphones krank machen. Klären Sie Ihre Mitarbeiter über die Zusammenhänge auf und leiten Sie sie zu einer gesundheitsgerechten Verwendung ihrer Mobilgeräte am Arbeitsplatz an.
Wer die nachgewiesenen Belastungen durch das Benutzen von Smartphone und Co nicht ernst nimmt, konterkariert ein jahrelanges Engagement für ergonomisch hochwertiges Mobiliar und optimal ausgestattete Bildschirmarbeitsplätze.