Navigation

Explosionsschutz
Foto: © burnstuff2003 - fotolia.com

Explosionsschutz: Die wichtigsten Vorschriften und Maßnahmen

  • 30.05.2023
  • Christoph Ledder
  • 8 Min.

Am 4. August 2020 kam es im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut zu einer gewaltigen Explosion, bei der nach offiziellen Angaben mehr als 200 Menschen starben und mehrere Tausend verletzt wurden. Darüber hinaus wurden etwa 300.000 Menschen obdachlos. Durch die enorme Druckwelle wurden nahezu der komplette Hafen sowie weite Teile der Stadt zerstört. Der Auslöser für die Explosion war die Entzündung von rund 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat, das unter unzureichenden Sicherheitsbedingungen in einer Halle gelagert wurde. Bei Schweißarbeiten in einer benachbarten Halle, in der Feuerwerkskörper gelagert wurden, brach ein Feuer aus. Daraufhin gingen diese in die Luft und das daneben gelagerte Ammoniumnitrat explodierte infolgedessen. Bis heute hat sich Beirut nicht vollständig von den Folgen der Explosion erholt. Immer noch sind weite Teile der Stadt zerstört und die Stromversorgung bricht mehrmals am Tag für mehrere Stunden zusammen. Die Tragödie macht deutlich, wie wichtig der Explosionsschutz ist. Unternehmen, die mit Gefahrstoffen arbeiten, diese herstellen oder vertreiben, sollten stets auf dem neuesten Stand der Anforderungen an den Explosionsschutz sein, um das Leben und die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen. Ohnehin sind Brände und Explosionen am Arbeitsplatz eine ernstzunehmende Gefahr – vor allem dann, wenn mit brennbaren und explosionsfähigen Gefahrstoffen gearbeitet wird. Arbeitgeber beziehungsweise Unternehmen müssen deshalb stets mit einer erhöhten Brand- und Explosionsgefahr rechnen. Aus diesem Grund sind nicht nur tiefgreifende Kenntnisse zum Brandschutz notwendig. Auch Maßnahmen zur Brandprävention, wie technische und organisatorische Schutzmaßnahmen, müssen entwickelt und umgesetzt werden, um die Mitarbeiter bestmöglich zu schützen.

Wie entstehen Explosionen?

Das Desaster von Beirut wirft die Frage auf, wie Explosionen zustande kommen. Der ausschlaggebende Punkt ist, dass folgende Bedingungen gleichzeitig passieren:  

  • Ein brennbarer Stoff mit einem hohen Dispersionsgrad (zum Beispiel als Staub, Nebel oder Dampf) ist vorhanden.

     
  • Die Konzentration des brennbaren Stoffs liegt in einer sauerstoffreichen Umgebungsatmosphäre (Luft oder reiner Sauerstoff) innerhalb seiner Explosionsgrenzen.

     
  • Eine Zündquelle mit ausreichender Zündenergie für den brennbaren Stoff ist vorhanden. Zündquellen sind beispielsweise heiße Oberflächen, die durch Reibungsenergie bewegter Teile oder durch die Nähe von Wärme abstrahlenden Geräten entstehen. Auch elektrostatische Aufladung und Entladung können zu einer Zündgefahr führen.

Sind diese drei Voraussetzungen gegeben und kommen sie zeitlich und örtlich zusammen, kann es zu einer Explosion kommen. Für die fachmännische Beurteilung des Explosionsschutzes ist es allerdings notwendig, nicht nur die physikalischen Grundlagen einer Explosion zu kennen und zu identifizieren, sondern auch zu bewerten, ob eine gefahrdrohende Menge vorliegt oder entstehen kann.

Welche Stoffe können Explosionen auslösen?

Gemische aus Gasen oder Dämpfen und Luft können bei bestimmten Mischverhältnissen zu einer Explosion führen. Dann besteht eine Gefahr für Mensch und Umwelt. Beispiele für Stoffe mit Explosionsgefahren: Benzin, Ethylalkohol (Brennspiritus), Aceton, Acetylen (Gas), Petroleum, Wasserstoff (Gas) oder Propan (Gas). Dabei ist zu beachten, dass diese brennbaren Stoffe nur innerhalb eines bestimmten Konzentrationsbereiches bei der Vermischung mit Luft zu Explosionen führen können.

Was bedeutet Explosionsschutz?

Mit dem Begriff ist der Schutz vor Explosionsgefährdungen verbunden, die durch eine explosionsfähige Atmosphäre entstehen. Eine solche Atmosphäre besteht aus Gas-, Dampf-, Nebel-, Luft- sowie Staub- und Luft-Gemischen. Ein einzelner Funken reicht hier beispielsweise aus, um eine Explosion zu erzeugen.

Neben den Luft-Gas-Gemischen bilden auch die sogenannten hybriden Gemische eine explosionsfähige Atmosphäre. Bei den hybriden Gemischen handelt es sich um Gemische von Luft und brennbaren Stoffen in unterschiedlichen Aggregatzuständen. Beispiele für die hybriden Gemische sind laut BG RCI (Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie) Gemische aus Methan, Kohlestaub und Luft oder Benzindampf sowie Gemische aus Benzintröpfchen und Luft. 

Kurzum: Der Explosionsschutz umfasst alle Maßnahmen, um eine explosionsfähige Atmosphäre und damit Explosionen zu vermeiden. Darüber hinaus umfasst der Explosionsschutz alle gesetzlichen Vorschriften, die Unternehmen einhalten müssen.

Gibt es weitere Bestandteile des Explosionsschutzes?

In Bezug auf die Maßnahmen, die im Rahmen des Explosionsschutzes ergriffen werden müssen, wird der Explosionsschutz in folgende Bestandteile unterteilt:

  • Primärer Explosionsschutz

    Ziel des primären Explosionsschutzes ist die Verhinderung der Bildung von gefährlichen und explosionsfähigen Gemischen. Damit keine explosionsfähige Atmosphäre entsteht, sollte man deshalb auf brennbare Stoffe oder auf Gefahrstoffe mit einem hohen Flammpunkt verzichten. Ist der Verzicht auf diese Stoffe nicht möglich, empfiehlt es sich, die Konzentration zu verändern, so dass die brennbaren Bestandteile im Gemisch außerhalb der Explosionsgrenzen liegen. 

    Konkrete Maßnahmen des primären Explosionsschutzes sind die Be- und Entlüftung sowie die Verringerung der Sauerstoffkonzentration durch eine gesteuerte Anreicherung der Konzentration mit Brenngasen oder durch Inertisierung. Letzteres beschreibt die Zugabe von sogenannten Inertstoffen, wozu zum Beispiel Stickstoff gehört. Dadurch wird die Bildung explosionsfähiger Gemische verhindert. In den meisten Fällen kann der primäre Explosionsschutz nicht allein realisiert werden – in der Regel in Kombination mit dem sekundären sowie dem tertiären Explosionsschutz. 

     
  • Sekundärer Explosionsschutz

    Der sekundäre Explosionsschutz greift dann, wenn sich trotz der Maßnahmen des primären Explosionsschutzes eine explosionsfähige Atmosphäre bildet. Die Maßnahmen des sekundären Explosionsschutzes bestehen darin, die Zündquellen, welche diese Atmosphäre entstehen lassen, zu verhindern. 

    Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung im Unternehmen werden alle Zündquellen genau untersucht und beurteilt. Zudem werden entsprechende Schutzmaßnahmen entwickelt und angewendet. 

    Auch elektrostatische Aufladung und Entladung können zu einer Zündgefahr führen. Schließlich kann ein unbeabsichtigter Funkenflug, beispielsweise durch eine ungewollte schleifende Berührung von Teilen, zu einer gefährlichen Zündquelle werden.

    Unternehmen, die den sekundären Explosionsschutz anwenden, sollten die explosionsgefährdeten Bereiche in Zonen aufteilen. Mit dieser Zoneneinteilung ist auch die Verwendung bestimmter Arbeitsmittel verbunden. Zudem müssen neben der Aufteilung der explosionsgefährdeten Bereiche in Zonen seitens der Betriebe organisatorische Maßnahmen getroffen werden. Dazu gehören beim sekundären Explosionsschutz das Rauchverbot in den einzelnen Bereichen sowie die regelmäßige Unterweisung der Mitarbeiter. 


     
  • Tertiärer Explosionsschutz

    Wenn die Maßnahmen des primären und sekundären Explosionsschutz nicht ausreichen, müssen Unternehmen zusätzliche Schritte einleiten, um das Leben und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. In diesen Fällen greift der tertiäre Explosionsschutz. Dessen Ziel ist es, die zum Teil dramatischen Auswirkungen der Explosion zu beschränken. Zu den konkreten Maßnahmen des tertiären Explosionsschutz gehören unter anderem: 

    – Sämtliche Behälter und technische Apparaturen müssen der Druckwelle 
      einer Explosion standhalten und eine explosionsfähige Bauweise haben. 

    – Der Einsatz von sogenannten Berstscheiben und Explosionsklappen zählen zu den Maßnahmen des tertiären Explosionsschutzes. Bei Entstehen einer Explosion öffnen sie sich in eine        
      ungefährliche Richtung und bewirken, dass die Anlage selbst nicht über die eigene Explosionsfestigkeit hinaus beansprucht wird.

Welche gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien gibt es zum Explosionsschutz?

Sowohl die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) als auch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) bilden die rechtlichen Grundlagen für den Explosionsschutz im Betrieb. Darüber hinaus regelt § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) mit der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Explosionsschutz. Gemäß ArbSchG können sich Gefährdungen durch physikalische, chemische und biologische Einwirkungen Gefährdungen für die Beschäftigten am Arbeitsplatz ergeben.

Darüber hinaus spielen die verschiedenen Technischen Regeln beim Explosionsschutz eine große Rolle. Vor allem die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) sowie die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) stehen im Fokus des betrieblichen Explosionsschutzes. Die nachfolgende Tabelle listet alle relevanten Technischen Regeln für den Explosionsschutz:

TRGSTRBS
  
407: Tätigkeiten mit Gasen – Gefährdungsbeurteilung1111: Gefährdungsbeurteilung
720: Gefährliche explosionsfähige Gemische – Allgemeines1112 Teil 1: Explosionsgefährdungen bei und durch Instandhaltungsarbeiten – Beurteilung und Schutzmaßnahmen
721: Gefährliche explosionsfähige Gemische – Beurteilung der ExplosionsgefährdungEmpfBS 1114: Anpassung an den Stand der Technik bei der Verwendung von Arbeitsmitteln
722: Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Gemische1122: Änderungen von Gasfüllanlagen, Lageranlagen, Füllstellen, Tankstellen und Flugfeldbetankungsanlagen – Ermittlung der Prüfpflicht nach Anhang 2 Abschnitt 3 BetrSichV und der Erlaubnispflicht gemäß § 18 BetrSichV
723: Gefährliche explosionsfähige Gemische – Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Gemische1123: Prüfpflichtige Änderungen von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen – Ermittlung der Prüfnotwendigkeit gemäß § 15 Absatz 1 BetrSichV
724: Gefährliche explosionsfähige Gemische – Maßnahmen des konstruktiven Explosionsschutzes, welche die Auswirkung einer Explosion auf ein unbedenkliches Maß beschränken1201: Prüfungen und Kontrollen von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen
725: Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre – Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen im Rahmen von Explosionsschutzmaßnahmen1201 Teil 1: Prüfungen von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen
727: Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen1201 Teil 3: Instandsetzung an Geräten, Schutzsystemen, Sicherheits-, Kontroll- und Regelvorrichtungen im Sinne der Richtlinie 2014/34/EU
800: Brandschutzmaßnahmen1203: Zur Prüfung befähigte Personen
 3151: Vermeidung von Brand-, Explosions- und Druckgefährdungen an Tankstellen und Gasfüllanlagen zur Befüllung von Landfahrzeugen

Welche Explosionsschutz-Maßnahmen sollten umgesetzt werden?

  • Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

    Der erste Schritt zu einem erfolgreichen Explosionsschutz, ist die Analyse potenzieller Auslöser. Mit einer Gefährdungsbeurteilung identifizieren und analysieren Unternehmen die Gefährdung, führen eine Bewertung der Gefährdung durch, beschreiben die notwendigen Maßnahmen und können auch den Erfolg Ihrer Maßnahmen kontrollieren.

    Folgende Leitfragen sollten zur Identifizierung und Analyse gestellt werden:

    – Ist ein brennbarer Stoff vorhanden?

    – Liegt die Konzentration oberhalb der oberen Explosionsgrenze? 

    – Ist die Konzentration unterhalb der unteren Explosionsgrenze?

    – Sind brennbarer Stoff und Zündquelle zur gleichen Zeit am gleichen Ort vorhanden?

    – Ist die explosionsfähige Konzentration oder Zündquelle nur zeitweise vorhanden?

    – Kann die brennbare Flüssigkeit gekühlt, die Atmosphäre verdünnt werden?

    – Kann die Gefährdung an einem anderen Ort entstehen?

Erstellung eines Explosionsschutzdokuments

Das Explosionsschutzdokument dient als Nachweis, dass das Unternehmen Maßnahmen beziehungsweise Vorkehrungen zur Sicherung des Explosionsschutzes getroffen hat. Das Ziel des Dokuments ist, Explosionsgefährdungen zu bewerten sowie individuelle Schutzmaßnahmen für jede Gefährdung festzuschreiben. 

Dieses Dokument muss dann erstellt werden, wenn die Ermittlung nach § 6 Abs.4 GefStoffV ergibt, dass Gefährdungen für Beschäftigte sowie für Dritte durch gefährliche explosionsfähige Gemische auftreten oder entstehen können. 

Das Explosionsschutzdokument wird von Unternehmen gemäß § 6 Abs.9 GefStoffV auch dann gefordert, wenn ohne entsprechende Maßnahmen explosionsfähige Gemische entstehen oder bereits vorhanden sind. Darüber hinaus ist das Explosionsschutzdokument nach § 6 Abs.9 GefStoffV eine gesonderte Form der Gefährdungsbeurteilung. 

Für Unternehmen, die weitgehende Maßnahmen des Explosionsschutzes ergreifen müssen, ist die Erstellung des Explosionsschutzdokuments verpflichtend – und das unabhängig von der Zahl der Beschäftigten. 

Das Dokument stellt das Explosionsschutzkonzept des Unternehmens dar – alle technischen und organisatorischen Maßnahmen, die auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung beschlossen wurden. 


Wesentliche Inhalte des Explosionsschutzdokuments sind: 

– Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung (Nachweis darüber, dass Explosionsgefährdungen entsprechend ermittelt und bewertet wurden)

– bereits getroffene Schutzmaßnahmen, um den Explosionsschutz im gefährdeten Bereich zu erhöhen

– Einteilung in Explosionsschutzzonen

– allgemeine Informationen über das Arbeitsumfeld

– Angaben zu den verwendeten Arbeitsmitteln

– Informationen über die Arbeitsstoffe und die durchzuführenden Tätigkeiten

– Angaben zu den allgemeinen Maßnahmen, die erforderlich sind. Dazu gehört beispielsweise die Kennzeichnung der Fluchtwege

Darüber hinaus muss das Explosionsschutzdokument mit Blick auf das Explosionsschutzkonzept für alle Beschäftigten nachvollziehbar sein – beispielsweise durch eine sinnvolle Gliederung. Weiterführende Informationen können unter anderem in Anhänge des Konzepts abgelegt werden.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) veröffentlichte im Juni 2021 die DGUV Information 213-016 und gibt Unternehmen eine Hilfestellung für die Erstellung eines Explosionsschutzdokuments.

Warum ist die Einteilung in Zonen im Explosionsschutz sinnvoll?

Die Einteilung von Zonen zur Vermeidung von Zündquellen hat sich in der Praxis für Unternehmen als sinnvolles Hilfsmittel bewährt.

Werden die einzelnen Zonen eingeteilt, nimmt man eine Klassifizierung nach der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre vor. Die Zuweisung einer Zone erfolgt aufgrund der Häufigkeit und Dauer der gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre.

Folgende Zonen gibt es:

0, 1, 2: In diese Zonen werden die Bereiche eingeteilt, in denen eine explosionsfähige Atmosphäre durch brennbare Gase, Flüssigkeit oder Nebel auftritt.

20, 21, 22: Bei diesen Zonen handelt es sich um Bereiche, in denen einen gefährliche explosionsfähige Atmosphäre durch brennbare Stäube entsteht.

Laut Angaben der DGUV steigt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre von 2 über 1 zu 0 sowie von 22 über 21 zu 20 an.

Gemäß Anhang 1 Nr.1.6 Abs.3 GefStoffV ist die Einteilung in Zonen für Unternehmen nicht verpflichtend. Dies gilt besonders für die Fälle, die in Anhang 1 Nr. 1.8 Abs.4 GefStoffV aufgeführt werden:

  • zeitlich und örtlich begrenzte Tätigkeiten, bei denen nur für die Dauer dieser Tätigkeiten mit dem Auftreten gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre gerechnet werden muss. 
     
  • An- und Abfahrprozesse in Anlagen, die nur selten und ausnahmsweise durchgeführt werden bei Errichtungs- und Instandhaltungsarbeiten.