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PSAgA
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PSAgA: Pflichten, Kennzeichnung & Prüfung

  • 23.05.2023
  • Torsten Niermann
  • 8 Min.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung meldet für das erste Halbjahr 2022 393.729 Arbeitsunfälle in der gewerblichen Wirtschaft und bei öffentlichen Arbeitgebern, von denen 177 tödlich endeten. Neben vielen anderen Unfallgefahren stellt ein Absturz von einer Leiter, einem Gerüst oder von einer Baustelle eine der größten Gefahren für Körper, Leib und Leben am Arbeitsplatz dar. Wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin berichtet, gingen im Jahr 2018 in etwa ein Sechstel aller Absturzunfälle tödlich aus. Vor diesem Hintergrund ist es für jeden Mitarbeiter und jedes Unternehmen wichtig, zielorientierte Maßnahmen in den Bereichen Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit im Betrieb vorzuhalten, die die Absturzgefahr reduzieren. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei für die Beschäftigten die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA).

Was ist die PSAgA?

Als „Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA)“ wird in Deutschland eine spezifische Sicherheitsausrüstung bezeichnet, die von Arbeitnehmern getragen werden muss, die dem Risiko eines Sturzes aus der Höhe ausgesetzt sind und bei denen eine organisatorische oder technische Sturzsicherung nicht möglich oder praktikabel ist. 

Die PSAgA dient foglich als Absturzsicherung. Die gebräuchlichste Art der PSAgA ist der Ganzkörpergurt, der um Brust und Beine getragen wird und verhindert, dass der Arbeiter aus großer Höhe fällt. Andere Komponenten, die ebenfalls zur PSAgA gehören, sind Netze, Auffangplattformen und Absturzsicherungssysteme. In Deutschland wird die Verwendung von PSAgA durch unterschiedliche Gesetze und Arbeitsschutzvorschriften geregelt. Bei richtiger Anwendung und ausreichender Schulung kann die PSAgA ein wirksames Mittel der Absturzsicherung sein, um die Absturzgefahr zu minimieren und zugleich schwere Verletzungen oder Todesfälle durch Absturzunfälle zu verhindern. 

In welchen Fällen ist die PSAgA gesetzlich verpflichtend? 

Die gesetzlichen Grundlagen für die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung bei der Arbeit finden Mitarbeiter und Unternehmen in der PSA-Benutzerverordnung (PSA-BV). Gemäß § 1 Absatz 2 der PSA-BV ist das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung verpflichtend, um sich gegen eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu schützen. 

Neben der PSA-BV gelten die folgenden weiteren Verordnungen und Gesetze in Bezug auf das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz: 

  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG),
  • Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR A2.1).
  • DGUV Grundsätze, DGUV Regeln, DGUV, Informationen sowie DGUV Grundsätze. 

Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A2.1) präzisieren, dass eine PSAgA in folgenden Fällen verpflichtend zu tragen ist: 

  • Grundsätzlich ab einer Absturzhöhe von 2,00 Metern.
  • Bei Wasser oder bei Stoffen, in denen ein Versinken möglich ist, muss die PSAgA ohne Ausnahme ab 0,00 Metern getragen werden.

In der Arbeitsstättenverordnung wird im Anhang 5.2 eine äquivalente Aussage für Baustellen getroffen. Dort heißt es auszugsweise, dass Schutzvorrichtungen, die ein Abstürzen von Beschäftigten an Arbeitsplätzen und Verkehrswegen auf Baustellen verhindern, in folgenden Fällen vorhanden sein müssen: 

  • Bei Arbeitsplätzen am und über Wasser, am oder über Verkehrswegen oder an und über anderen festen oder flüssigen Stoffen, in denen man versinken kann.
  • Bei mehr als 1 Meter Absturzhöhe an Wandöffnungen, an frei liegenden Treppenläufen und -absätzen sowie
  • Bei mehr als 2 Meter Absturzhöhe an allen übrigen Arbeitsplätzen.

Einzige Ausnahme bilden Arbeitsplätze und Verkehrswegen auf Dächern und Geschossdecken von baulichen Anlagen mit bis zu 22,5 Grad Neigung und nicht mehr als 50 Quadratmeter Grundfläche.  Fachlich qualifizierte und körperlich geeignete Beschäftigte müssen bei solchen Bauvorhaben keine PSAgA tragen, wenn sie besonders unterwiesen wurden und die Absturzkante deutlich erkennbar ist.

Welche Pflichten müssen Unternehmen in Bezug auf die PSAgA erfüllen? 

Die Paragrafen 3, 4 und 5 des Arbeitsschutzgesetzes gehen auf die Pflichten von Unternehmen in Bezug auf die persönliche Schutzausrüstung der Mitarbeiter ein. Arbeitgeber sind grundsätzlich verpflichtet: 

  • Die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen,
  • Alle Maßnahmen fortlaufend auf Wirksamkeit zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen,
  • Für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel kostenlos bereitzustellen.

Gemäß § 2 und 3 der PSA-BV müssen Unternehmen ebenfalls darauf achten, dass die zur Verfügung gestellte PSAgA: 

  • den Anforderungen der Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen entspricht,
  • Schutz gegenüber der zu verhütenden Gefährdung bietet, 
  • für die am Arbeitsplatz gegebenen Bedingungen geeignet ist,
  • die ergonomischen Anforderungen und den gesundheitlichen Erfordernissen der Beschäftigten entspricht und
  • den Beschäftigten individuell passen (PSAgA ist grundsätzlich personenbezogen anzuschaffen).

Hinzu kommen folgende Pflichten:

  • Gezielte Prüfung sowie Wartungs-, Reparatur- und Ersatzmaßnahmen und eine ordnungsgemäße Lagerung durch den Arbeitgeber stellen sicher, dass die persönliche Schutzausrüstung während der gesamten Benutzungsdauer effektiv funktioniert und sich in einem hygienisch einwandfreien Zustand befindet. 
  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beschäftigten darin zu unterweisen, wie die persönlichen Schutzausrüstungen sicherheitsgerecht benutzt werden. Erforderliche Informationen für die Benutzung ist für die Beschäftigten in verständlicher Form und Sprache bereitzuhalten.

Zusammenfassend ist der Arbeitgeber in Bezug auf die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz verpflichtet, die Schutzausrüstung für seine Mitarbeiter anzuschaffen, diese regelmäßig zu warten und instand zu halten, eine regelmäßige Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und durch Betriebsanweisungen und Schulungen eine umfassende und professionelle Schulung zu gewährleisten. 

Welche Ausführungen gehören zur PSAgA? 

Zur Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz gehören die folgenden Systemkomponenten bzw. Produkte: 

  • Auffanggurte,
  • Verbindungsmittel,
  • Anschlageinrichtungen,
  • Mitlaufende Auffanggeräte,
  • Falldämpfer,
  • Höhensicherungsgeräte.

Wie schützen Auffanggurte bei Stürzen? 

Auffanggurte sind so konzipiert, dass sie die Kräfte eines Sturzes gleichmäßig auf den Körper verteilen, sodass kein einzelner Körperteil zu stark belastet wird. Die Gurte des Auffanggurtes sind außerdem verstellbar, sodass sie je nach Bedarf angezogen oder gelockert werden können. Die DIN EN 361 erklärt, dass ein Auffanggurt aus Gurtbändern, Beschlagteilen, Schnallen oder anderen Einzelteilen besteht, die so angeordnet und zusammengesetzt sind, dass der Auffanggurt eine Person im Falle eines Sturzes am gesamten Körper unterstützt und die Kräfte, die auf den Körper einwirken, dämpft.

Welche Aufgaben haben Verbindungsmittel bei der PSAgA? 

Verbindungsmittel der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz können Sicherungsseile oder ein Anschlagpunkt sein. In der DIN EN 354 wird geregelt, dass Verbindungsmittel „als verbindende Einzelteile oder verbindende Bestandteile in persönlichen Absturzschutzsystemen (Rückhaltesystem, Arbeitsplatzpositionierungssystem, System für seilunterstützten Zugang, Auffangsystem und Rettungssystem) verwendet werden.“ 

Was leisten Anschlageinrichtungen in der PSAgA? 

Verankerungsvorrichtungen oder Anschlageinrichtungen werden verwendet, um ein Sicherheitsseil oder einen Auffanggurt an einer Struktur zu befestigen, damit ein Mitarbeiter bei einem Absturz aufgefangen werden kann. Zu den üblichen Verankerungsvorrichtungen gehören Gerüste, Leitplanken und Netze. Anschlageinrichtungen umfassen gemäß der DIN EN 795 ortsfeste oder bewegliche Anschlagpunkte. Damit Anschlageinrichtungen im Falle eines Sturzes schützen, müssen sie entweder fest oder reversibel mit dem Untergrund oder Bauwerk verbunden sein. Im Falle eines Sturzes halten Anschlageinrichtungen den Mitarbeiter und leiten die auftretenden Kräfte sicher ab.

Was sind mitlaufende Auffanggeräte? 

Mitlaufende Auffanggeräte werden in der Regel in Verbindung mit einem Ganzkörpergurt verwendet. Solche Produkte ermöglichen es einem Mitarbeiter, sich frei zu bewegen und gleichzeitig gegen die Sturzgefahr gesichert zu sein. Gemäß der DIN-Norm EN 353-2 handelt es sich um „selbstständig blockierende, mitlaufende Auffanggeräte einschließlich beweglicher Führung, die an einem oberen Anschlagpunkt befestigt werden können.”

Welche Schutzfunktion bringen Falldämpfer mit? 

Falldämpfer und die häufig genutzten Bandfalldämpfer sind in den meisten Fällen in Verbindungsmittel und mitlaufende Auffanggeräte integriert. Ihre Aufgabe ist es, die bei einem Sturz auftretende Energie umzuwandeln und zu reduzieren. Bandfalldämpfer werden aus mehrlagig vernähten, reißfesten Bändern hergestellt und sollten in jedem Fall Bestandteil der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz sein. 

Wie funktionieren Höhensicherungsgeräte? 

Höhensicherungsgeräte haben die Aufgabe, die Kräfte, die bei einem Sturz aus großen Höhen entstehen, zu reduzieren. Diese Produkte bestehen aus einer Trommel und einem Sturzseil, dass in den meisten Fällen aus einem Drahtseil, einem Gurtband und einem Chemiefaserseil besteht. Ein spezieller Mechanismus und ein integrierter Bandfalldämpfer sorgen dafür, dass das Seil, dass fachlich als Verbindungsmittel bezeichnet wird, im Falle eines Sturzes automatisch ins Gehäuse zurückgespult wird und die Fallhöhe verkürzt. 

Wie müssen die Ausrüstungsgegenstände gekennzeichnet werden?

Auf Grundlage der DGUV-Regeln 112_198, ist jegliche Schutzausrüstung, die zur persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz gehört, wie folgt zu kennzeichnen: 

  • Namen, Zeichen oder andere Kennzeichen des Herstellers oder Lieferanten,
  • Typen- und Modellbezeichnung der Ausrüstung,
  • Chargen- oder Seriennummer,
  • Nummer und Jahr der entsprechenden DIN-EN-Norm, 
  • Piktogramm mit Hinweisen, dass Benutzer die Herstellerinformationen lesen müssen.

Ebenfalls grundlegend für die Kennzeichnung ist die DIN EN 365, die die allgemeinen Anforderungen an Gebrauchsanleitungen, Wartung, regelmäßige Prüfung, Instandsetzung, Kennzeichnung und Verpackung festlegt. 

Was ist bei der Gefährdungsbeurteilung der PSAgA zu beachten?

Bei einer Gefährdungsbeurteilung werden gemäß § 5 des Arbeitsschutzgesetzes alle potenziellen Gefahrstellen am Arbeitsplatz ermittelt. Im nächsten Schritt werden vom Arbeitgeber zielführende Maßnahmen implementiert, um zu jeder Zeit den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Der Arbeitgeber hat die Beurteilung individuell und nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen und anschließend eine umfassende Schulung mit den Anwendern zur Absturzsicherung durchzuführen.

Wie und wann ist die PSAgA zu prüfen?

In den DGUV-Regeln 112-198 und 112-199 ist verankert, dass die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz einmal pro Jahr von einem Sachkundigen auf Verwendbarkeit und Schäden zu prüfen ist. Wird die PSAgA regelmäßig im Arbeitseinsatz verwendet, sollte die Schutzausrüstung in engeren Abständen geprüft werden. Die Gebrauchsdauer ist spezifisch und hängt vom Material und den Einsatzbedingungen ab. Gurte und Seile sind zwischen 5 und 8 Jahre nach Produktionsdatum verwendbar. Der Anwender der PSAgA hingegen sind dazu angehalten, die Schutzausrüstung vor jeder einzelnen Benutzung zu kontrollieren.

Was ist bei der Auswahl der PSAgA zu beachten?

Bei der Auswahl der PSAgA sollten Unternehmen und Mitarbeiter vor allem auf die folgenden Punkte achten: 

  • Im Beratungsgespräch mit Fachkräften sollte die zweckmäßigste Schutzausrüstung gegen Absturz für die Einsatzbedingungen vor Ort angeschafft werden. 
  • Die Beschäftigten sollten in die Auswahl involviert werden.
  • Es dürfen ausschließlich Ausrüstungsgegenstände angeschafft und genutzt werden, die den Namen des Herstellers, das CE-Zeichen, die Nummer der Prüfstelle sowie die Seriennummer und das Herstellungsjahr tragen.

Wie und wann müssen Arbeitnehmer in Bezug auf die PSAgA unterwiesen werden? 

Nach Abschluss der Gefährdungsbeurteilung muss jeder Mitarbeiter, der eine Tätigkeit ausübt, bei der ein Absturz möglich ist, unterwiesen werden. 

Rechtlich bindend ist eine jährliche Unterweisung der Mitarbeiter zum Zwecke der Risikominimierung. Darüber hinaus ist es essenziell, dass Beschäftigte regelmäßig in der Anwendung der Ausrüstung sowie im Retten von abgestürzten Personen ausgebildet werden und selbst regelmäßig Höhenarbeiten durchführen. Die jährliche Unterweisung enthält aus diesem Grund neben theoretischen Punkten ebenfalls praktische Übungen. 

Arbeitgeber haben zusätzlich eine Dokumentationspflicht über die Unterweisung. Die schriftliche Dokumentation ist von den Beschäftigten gegenzuzeichnen.

Wie ist die PSAgA aufzubewahren?

Die PSAga ist wie folgt aufzubewahren:

  • nach Vorgabe des Herstellers,
  • zwischen 0 Grad Celsius bis 35 Grad Celsius,
  • relative Luftfeuchtigkeit zwischen 20 und 60 Prozent,
  • Lagerung in Dunkelheit,
  • keine gemeinsame Lagerung mit Lösungsmitteln oder Chemikalien,
  • optisch getrennte Lagerung von gebrauchter und neuer PSAgA und
  • ordentliche, saubere und trockene Lagerung.

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