Gewalt im Zusammenleben von Menschen ist kein neues Phänomen. Trotz Zivilisation und Wohlstand, trotz Erziehung und Bildung kommt es auch in sozial stabilen Gemeinschaften zu Aggression und Gewalthandlungen. So ist leider auch Gewalt am Arbeitsplatz keine Seltenheit mehr. Manche Berufsgruppen sind davon häufiger oder unmittelbarer betroffen.
Wer sich für eine Laufbahn bei der Polizei, im Militär oder im Sicherheitsgewerbe entscheidet, muss damit rechnen, mit Gewalt in unterschiedlichen Formen konfrontiert zu werden. Besorgniserregend ist jedoch die Tatsache, dass in den letzten Jahren zunehmend von Gewalt am Arbeitsplatz berichtet wird, bei dem man dies nicht erwartet: Rettungssanitäter und Feuerwehrleute werden im Einsatz beleidigt, bespuckt und geschlagen. Beschäftigte im Gesundheitswesen erleben Übergriffe und Aggressivität: Mitarbeiter von Behörden werden bedroht oder tätlich angegriffen, Hausmeister größerer Wohnanlagen werden angepöbelt und viele andere Fälle mehr.
Das versteht man unter Gewalt am Arbeitsplatz
Wir denken bei Gewalt meist an körperliche Auseinandersetzungen wie Schläge, Tritte oder den Gebrauch von Waffen. Doch Gewalt beginnt viel früher. So definiert die Internationale Arbeitsorganisation ILO:
„… jede Handlung, Begebenheit oder von angemessenem Benehmen abweichendes Verhalten, wodurch eine Person im Verlauf oder in direkter Folge ihrer Arbeit schwer beleidigt, bedroht, verletzt oder verwundet wird.“
Diese Definition macht deutlich, dass Gewalt am Arbeitsplatz
- weit mehr umfasst als körperliche Gewalt und, dass es
- nicht darauf ankommt, ob die Bedrohung von außen oder von innen, aus dem Unternehmen selbst, kommt.
Jeder betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschützer in einem Unternehmen, einer Gesundheitseinrichtung oder Behörde, in denen Situationen wie die beschriebenen vorkommen können, muss sich daher dem Thema Gewalt am Arbeitsplatz offen stellen.
Diese Branchen sind besonders häufig betroffen
In einigen Berufen und bei bestimmten Tätigkeiten ist das Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, besonders hoch. Dies gilt überall dort, wo Mitarbeiter mit hohen Bargeldbeträgen, Wertgegenständen oder hochwertigen Waren
umgehen wie Banken, Geldtransporte, Juweliere, Kunst- und Antiquitätenhandel usw. Es gibt aber auch viele Fälle, in denen das Risiko für Gewalthandlungen weniger offensichtlich ist. Mittlerweile kommt Gewalt am Arbeitsplatz in der Pflege oder sogar in Schulen vor.
Eine Studie von 2014 zeigte nach Befragungen in Notaufnahmen: In 3 von 4 Einrichtungen (73 %) wurden Mitarbeiter innerhalb der letzten 12 Monate Opfer gewalttätiger Ereignisse.
Die folgenden Beispiele zeigen das breite Spektrum von Berufen und Branchen auf:
Branche | Art der Gewalt |
Dienstleistungsunternehmen
| Hausmeister und Mitarbeiter von Hausverwaltungen, besonders in Wohnanlagen in sozial schwierigen Milieus, berichten über Bedrohungen, Beleidigungen und Tätlichkeiten. |
Behörden | Beschäftigte in Sozial-, Jugend-, Ordnungs- und Finanzämtern, auch in Jobcentern werden angepöbelt oder tätlich angegriffen. Immer dann, wenn Mitarbeiter Kontrollfunktionen wahrnehmen oder die staatliche Ordnung repräsentieren, sind sie besonders bedroht, z. B. Politessen. |
Gastronomie und Hotellerie | Hier spielt oft der Alkohol eine Rolle, wenn Gäste pöbeln, ausfällig werden und das Personal bedrohen. |
Gesundheitswesen
| Die Klagen nehmen zu, dass Patienten randalieren und auf Krankenhauspersonal losgehen. Gesundheits- und Pflegedienste berichten von Patienten, die aufgrund von Demenzerkrankungen aggressiv werden. In Einrichtungen der Psychiatrie, Drogenentwöhnung, Resozialisierung usw. muss das Personal stets damit rechnen, dass Klienten handgreiflich werden |
Interne Gewalt | Schließlich kann es auch zu Gewalt unter Kollegen kommen. Hier kommt die Bedrohung von innen. Das Spektrum reicht vom aufgebrochenen Spind über Erpressung bis hin zur sexuellen Belästigung oder Schlägerei. Auch Phänomene wie Mobbing gehören zu dieser internen Gewalt. |
Rettungswesen | Sanitäter, Notärzte, Feuerwehrleute werden beleidigt, bedroht oder verprügelt. Nicht immer sind die Täter betrunken. Dies sind keine Bagatelldelikte, das Behindern von Rettungsarbeiten bedroht Leben. |
Schulen | Die Fälle von Gewalt gegen Lehrer nehmen zu, dies belegt eine Forsa-Umfrage von 2016. In knapp der Hälfte aller Schulen wurden in den vergangenen 5 Jahren Fälle von psychischer Gewalt bekannt. Lehrer wurden beschimpft, beleidigt, gemobbt oder belästigt. In jeder vierten Schule wurden Lehrer auch körperlich angegriffen. |
Transportwesen | Durchschnittlich alle 20 Minuten wird in Deutschland ein Lkw ausgeraubt. Internationale Banden, die professionell vorgehen, bedrohen jeden Berufskraftfahrer. Laut Deutschem Speditions- und Logistikverband (DSLV) wurden 2016 Ladungen von knapp 26.000 Lkws gestohlen. |
Verkehrswesen | Taxifahrer, Busfahrer, Fahrscheinkontrolleure im ÖPNV, auf U-Bahnhöfen, in Straßenbahnen, Bussen und bei der Deutschen Bahn müssen stets mit Widerständen rechnen, die nicht selten in Gewalthandlungen ausarten. Lokführer und Bahnpersonal fahren mit dem Risiko, während ihrer Arbeit Suizide zu erleben und ein Überfahrtraumata zu bewältigen. |
Wach- und Sicherheitsdienste | Sicherheitsdienste übernehmen Aufgaben, die meist mit Gewaltrisiken verbunden sind. In dieser Branche geht etwa jeder vierte meldepflichtige Arbeitsunfall auf Gewalt (inklusive traumatisierenden Erlebnissen ohne körperliche Berührung) zurück. |
Bedenken Sie, dass auch der Arbeitsweg zum Tatort werden kann.
Was tun bei Gewalt am Arbeitsplatz?
Zuerst einmal darf Gewalt kein Tabu-Thema sein. Sprechen Sie die Gefahren offen in der Unterweisung an und üben Sie Konflikttraining. Je nach Branche bietet sich auch ein Selbstverteidigungskurs an. Außerdem sollte allen bewusst sein, dass Vergehen dieser Art als Arbeitsunfall gelten und gemeldet werden müssen.
10 Regeln gegen Gewalt
Machen Sie den Mitarbeitern außerdem Mut, indem Sie folgende 10 Regeln aufstellen.
- Beleidigungen, Übergriffe oder andere Formen von Gewalt muss ich nicht hinnehmen!
- Ich habe Anspruch darauf, dass mich mein Arbeitgeber vor Gewalt und Bedrohung schützt!
- Es ist mein Recht, ohne Gefühle von Angst oder Erniedrigung arbeiten zu können!
- Ich sollte die persönlichen Grenzen der Kollegen respektieren, z. B. ab wann ein Scherz als Beleidigung empfunden wird!
- Gewalterlebnisse muss ich ernst nehmen, nicht „übersehen“, tolerieren oder herunterspielen! Daher melde ich Übergriffe jeglicher Art.
- Wenn ich mich bedroht fühle, wähle ich den Notruf 110 ohne Scheu. Ich muss keine Konsequenzen befürchten, wenn sich die Bedrohung als unbegründet herausstellt. Dies ist kein Missbrauch der Notrufnummer.
- Ich spiele nicht den Helden. Oberste Priorität in allen bedrohlichen Situationen hat der Selbstschutz!
- Mein Arbeitgeber verfolgt Straftaten konsequent und ahndet sie im Rahmen seiner Möglichkeiten!
- Nur bedingt kontrollierbare körperliche Reaktionen nach einem Gewalterlebnis sind normal. Angstreaktionen helfen mir, im Gefahrenfall auf eine Bedrohung zu fokussieren und schnell zu reagieren. Sie können sich nach einem traumatischen Erleben aber auch zu einer Störung entwickeln.
- Wenn ich nach einer traumatischen Erfahrung professionelle Hilfe in Anspruch nehme, handele ich damit eigenverantwortlich und im Sinne meines Arbeitgebers.
- Unfallprävention am Arbeitsplatz: So vermeiden Sie Arbeitsunfälle
- Gegen Mobbing: Dazu sind Sie als Arbeitgeber verpflichtet!
Autor: Friedhelm Kring
-
Diese Maßnahmen schützen Ihre Kollegen vor verbalen Übergriffen (DOCX)