Schichtarbeit gesundheitsgerecht planen

Schichtarbeit gesundheitsgerecht planen

Die Gestaltung von Arbeitszeiten ist nicht nur eine Frage für Tarifverhandlungen, sondern auch für den Arbeitsschutz. Dies macht die im Februar 2018 erschienene neue DGUV­-Information 206­024 „Schichtarbeit – (k)ein Problem?!“ deutlich und zeigt Wege zu einer gesundheitsgerechten Arbeitszeitgestaltung.

Der Trend in der Arbeitswelt geht eindeutig weg vom Normalarbeitstag mit Arbeitszeiten von 7 oder 8 Uhr morgens bis zum späten Nachmittag oder frühen Abend. Angesagt sind flexible Arbeitszeitregelungen, Arbeitszeitkonten oder Jahresarbeitszeitmodelle. Auch Schichtarbeit (und Wochenendarbeit) nimmt zu. Bereits heute arbeiten rund 20 % aller Beschäftigten in Deutschland in Schichtdiensten.

    Warum Schichtarbeit ein Thema für den Arbeitsschutz ist

    Wie Ihr Unternehmen die Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeiten regelt, beeinflusst das Unfallrisiko Ihrer Mitarbeiter. Denn Fakt ist, dass Schichtarbeit sich auf Gesundheitsgefährdungen und Unfallrisiken auswirkt. Wie die DGUV-Information ausführt, steigt das Unfallrisiko an:

    • nach der 7. bis 9. Arbeitsstunde.
    • während abweichender oder ungewöhnlicher Arbeitszeiten wie in der Nacht oder am Sonntag.
    • durch eine Folge von Arbeitstagen in Nachtschicht, die nicht durch freie Tage unterbrochen werden. Dazu kommt ein weiterer indirekter Effekt auf die Unfallrate, denn Nacht- und Schichtarbeit können zu Schlafmangel und Schlafstörungen führen, welche wiederum das Unfallrisiko erhöhen. Schichtarbeit ist nicht gleich Schichtarbeit. Es gibt Schichtsysteme mit Nachtarbeit und solche ohne Nachtarbeit. In einigen Branchen wie dem Gesundheitswesen oder für überwachende Aufgaben in Leitwarten laufen Schichten auch übers Wochenende durch, in anderen Unternehmen nicht. Auch für die Anfangs- und Endzeiten sowie die Planung von Schichtwechseln gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.

    Schicht- und Dienstpläne gesundheitsgerecht und rechtssicher gestalten – was bedeutet das?

    Nachts und in Wechselschichten zu arbeiten unterbricht unseren natürlichen Biorhythmus (s. Abb.) und erfordert, dass unser Körper gegen seine innere Uhr arbeitet. Wenn der Mensch als normalerweise tagaktives Lebewesen nachts aktiv sein muss, fehlt dem Organismus die Fähigkeit zur Regeneration. Bei Schicht- und Nachtarbeit steigt daher die Gefahr, dass wir körperlich und psychisch aus dem Gleichgewicht geraten. Schichtarbeit zehrt auf Dauer an den körperlichen wie auch den seelischen Kräften.

    Schichtarbeit
    Die Leistungsfähigkeit lässt nachts deutlich nach.

    In der DGUV-Information 206-024 finden Sie eine Checkliste zur Schichtplangestaltung, die sich an den Erkenntnissen der Arbeitswissenschaft orientiert. Die wichtigsten Aspekte für eine gesundheitsgerechte Schichtplanung in Stichworten lauten:

    • Vorwärtswechsel von Schichten
    • schnelle Schichtwechsel
    • Zahl aufeinanderfolgender Nachtschichten gering halten
    • nicht mehr als 5 Arbeitstage oder 5 Schichten nacheinander
    • Freizeiten möglichst als Block, einzelne Arbeitstage zwischen freien Tagen vermeiden
    • Planungssicherheit bieten, Mitarbeiter nicht kurzfristig einteilen und damit deren Privatleben durcheinanderbringen. Empfohlen wird auch, dass Sie Ihren Beschäftigten eine Mitgestaltung ermöglichen. Versuchen Sie, durch flexible Lösungen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.

    Keine Dauernachtschicht

    Manchmal haben Schichtarbeiter das Gefühl, sich an die Nachtschicht gewöhnt zu haben. Was aber tun, wenn jemand gern dauerhaft in Nachtschicht arbeiten möchte? Dieser Fall ist nicht ganz eindeutig geregelt, der vermeintliche Gewöhnungseffekt wird von Arbeitsmedizinern jedoch eher kritisch gesehen. Viele Arbeitsschutzexperten raten daher von Dauernachtschicht ab. Kommt es in Ihrem Betrieb zu Interessenkonfl ikten um Dauernachtschichten, sollten Sie für den konkreten Einzelfall Rat und Unterstützung bei Ihrem Betriebsarzt und Ihrem Unfallversicherungsträger suchen.

    Mindestanzahl an Sicherheitsbeauftragten und Ersthelfern sicherstellen

    Beachten Sie bei Schichteinteilungen, dass die erforderliche Anzahl von Sicherheitsbeauftragten anwesend ist. Das Gleiche gilt für Erst- und Brandschutzhelfer. In der Praxis führt diese Forderung in der Regel dazu, dass Schichtbetriebe einige Sicherheitsbeauftragte mehr bestellen und einige Mitarbeiter mehr zu Ersthelfern ausbilden lassen müssen, als dies, rein mathematisch gesehen, angesichts der Belegschaftsgröße notwendig wäre.

    Verkürzte Ausgleichsfrist der täglichen Höchstarbeitszeit beachten

    Die tägliche Höchstarbeitszeit beträgt auch für Nacht- und Schichtarbeiter 8 Stunden. Ein Unterschied bei Nachtarbeit besteht jedoch dann, wenn diese Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden verlängert wird. Im Normalfall gilt, dass dies binnen 6 Monaten oder 24 Wochen wieder auf den Durchschnitt (8 Stunden pro Tag) ausgeglichen werden muss. Für Nachtarbeiter ist diese Ausgleichsfrist mit einem Monat oder 4 Wochen deutlich verkürzt.

    Einschränkungen für bestimmte Mitarbeitergruppen

    beachten Für werdende und stillende Mütter ist das Arbeiten zwischen 20 und 6 Uhr gemäß dem Mutterschutzgesetz verboten. Das Gleiche gilt im Jugendarbeitsschutzgesetz für Jugendliche unter 18 Jahren. Aufgrund dieser besonderen Schutzverpfl ichtungen sind für diese Personengruppen Nachtschichten somit nicht zulässig. Es bestehen jedoch diverse Ausnahmeregelungen, z. B. für Jugendliche in der Gastronomie (bis 22 Uhr) oder in mehrschichtigen Betrieben (bis 23 Uhr) oder für Schwangere, die auf eigenen Wunsch später arbeiten möchten (bis 22 Uhr). Für Mitarbeiter mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen gibt es keine generelle Befreiung von Schichtdiensten. Hier müssen Sie in Abstimmung mit dem Betriebsarzt jeweils individuell klären, ob ein Kollege für Schichtdienste geeignet ist.

    Schichtarbeiter haben das Recht auf arbeitsmedizinische Untersuchungen

    Jeder Mitarbeiter, der in Nachtschichten eingeteilt wird, hat das Recht auf eine arbeitsmedizinische Untersuchung alle 3 Jahre. Ab einem Alter von 50 Jahren steht ihm diese Vorsorge jedes Jahr zu. Der Betriebsarzt sollte neben den individuellen Gesundheitsaspekten auch zu Fragen der Ernährung, Einnahme von Medikamenten oder Stimulanzien sowie der Schlafhygiene aufklären und beraten.

    Tipp: Schlafsprechstunde: Die DGUV empfiehlt, im Rahmen der arbeitsmedizinischen Wunschvorsorge bei Schichtarbeit eine Schlafsprechstunde einzurichten. Hier kann z. B. der Chronotyp eines Mitarbeiters (Lerche = Frühaufsteher oder Eule = Spätaktiver) festgestellt und Einschlaf- oder Durchschlafprobleme individuell besprochen werden. Wer in einem Schlaftagebuch Schlafqualität und – befindlichkeiten notiert, erhält, darauf aufbauend, in dieser Sprechstunde individuelle Empfehlungen.

    Weiterbildung ermöglichen

    Sorgen Sie dafür, dass Ihre Schicht- und Nachtarbeiter den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie alle anderen Mitarbeiter. Dies legt § 6 Abs. 6 Arbeitszeitgesetz fest. Eine frühzeitige Planung ist besonders wichtig, denn die meisten Fortbildungsveranstaltungen sind auf Normalarbeitszeiten abgestimmt.

    Essen und Trinken bei Schichtarbeit

    Der unregelmäßige Schlaf-Wach-Rhythmus eines Schichtarbeiters bringt mit dem Bio- auch den Essensrhythmus durcheinander. Unser Verdauungsapparat kann sich nicht schlagartig umstellen, schwere Mahlzeiten zu ungewohnter Zeit werden leicht zur Überforderung und Belastung für Magen, Darm, Leber usw. Als wichtigste Ernährungstipps bei Schichtarbeit gelten:

    • Möglichst leicht verdauliche und damit bekömmliche Mahlzeiten bevorzugen.
    • Lebensmittel mit hohem Proteingehalt wie Milchprodukte oder mageres Fleisch wählen. Fette kalorienreiche Nahrung macht zusätzlich müde.
    • Gedünstete, gedämpfte oder gegrillte Lebensmittel bevorzugen, denn sie sind in der Regel leichter als frittierte Nahrungsmittel, also z. B. besser Pellkartoffeln als Pommes frites.
    • Eine warme Mahlzeit fördert das Wohlbefinden dauerhafter als belegte Brote oder Knabberzeug.
    • Regelmäßige Zwischenmahlzeiten, z. B. Obst, Müsli oder eine Suppe, verhindern, dass der Blutzuckerspiegel zu sehr absinkt. Auch Süßigkeiten erhöhen den Blutzuckerspiegel, allerdings nur kurz, und die Müdigkeit kommt dann umso schneller.
    • Ausreichend trinken! Kräuter- und Früchtetees, Wasser oder ungezuckerte Säfte sind günstiger als Kaffee oder Cola.

    Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) hat am 7. März, dem Tag der gesunden Ernährung, folgende 3 Maßnahmen empfohlen, mit denen Schichtbetriebe ihre Mitarbeiter zu gesunder Ernährung motivieren können:

    1. Organisieren Sie Informationsveranstaltungen rund um gesundes E ssen, optimale Esszeiten und Nahrungsmittel.
    2. Passen Sie die Essensauswahl in Kantine und Cafeteria an. Achten Sie auf gesunde Snacks wie Obst, Nüsse und Müsliriegel im Sortiment. Bieten Sie auch in der Nachtschicht vollwertige Speisen an, damit kein Schichtarbeiter zu Kalorienbomben greifen muss.
    3. Geben Sie Ihren Mitarbeitern die Gelegenheit, von zu Hause mitgebrachte Speisen im Pausenraum oder einer Betriebsküche warm zu machen.

    Tipp: Schlafhygiene und Schlafrituale Neben der Ernährung gibt es einen zweiten wichtigen Punkt, an dem jeder Schichtarbeiter selbst ansetzen kann: Schlafmediziner raten zu einer Schlafhygiene. Damit ist keine Dusche gemeint, sondern die persönliche Art und Weise, seinen Schlaf zu „organisieren“. Dazu gehört, auf Kaffee und Cola zu verzichten, für Ruhe im Schlafbereich zu sorgen oder nach der Arbeit erst mal abzuschalten und „runterzukommen“. Empfohlen wird ein persönliches Schlafritual, eine kleine Angewohnheit vor jedem Zubettgehen. Das kann ein Glas Milch sein, eine Entspannungsübung oder ein Kontrollgang durchs Haus. Solche ritualisierten Handlungen stimmen den Körper bei Wiederholung automatisch auf Schlafen ein, auch zu ungewöhnlichen Zeiten.

    Autor: Dr. Friedhelm Kring

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